DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL : Zu liebevoll betrogen
KUNSTFÄLSCHUNG In Köln startet ein Prozess gegen eine Gruppe, die mit Kopien Millionen verdiente
Professor Dr. Dr. h. c. mult. Werner Spies bezeichnet sich als den weltweit einzigen Experten für das Werk von Max Ernst. Trotzdem attestierte er zuletzt – wenn auch unfreiwillig – dem Künstler Wolfgang Beltracchi, ebenfalls Max Ernst-Experte zu sein. Mit seinen Echtheitsbescheinigungen für dessen Gemälde „La Forêt (2)“ und für weitere Bilder als Werke von Max Ernst ermöglichte es der Kunsthistoriker dem Kunstfälscher, mindestens fünf angebliche Gemälde von Max Ernst international zu platzieren. Stolze 7 Millionen Dollar war dem Verleger Daniel Filipacchi dieses Max-Ernst-Gemälde wert.
Wolfgang Beltracchi malte besonders gern deutsche Expressionisten, oft Gemälde, die in alten Katalogen aufgeführt sind, seit Kriegsende aber als verschollen gelten. Seine Ehefrau, die Enkelin des 1992 in Köln verstorbenen Unternehmers Werner Jäger, hatte dann die Idee, die Bilder ihres Gatten der Kunstsammlung ihres Großvaters zuzuschreiben.
Kenntnisreich gemalt und mit gut erarbeiteten Provenienznachweisen ausgestattet, konnte das Familienunternehmen insgesamt elf Fälschungen für 15,8 Millionen Euro losschlagen. Um diese Summe und Zahl der Bilder wird es bei dem am Donnerstag beginnenden Prozess vor dem Landgericht Köln gehen, bei dem dem Ehepaar gewerbsmäßig begangener Betrug und Urkundenfälschung zur Last gelegt wird.
Dass die Sache aufflog, lag unter anderem an zu viel Liebe der Fälscher für das kleine, echtsheitssuggerierende Detail: Mehrere Bilder, auch der Max Ernst, trugen auf der Rückseite ein Etikett der Düsseldorfer Galerie Alfred Flechtheim mit einem Holzschnittporträt des Galeristen. Der Flechtheim-Experte Ralph Jentsch erkannte es als eine in die Karikatur spielende Fälschung. Man muss eben wissen, wo man hinschaut!
BRIGITTE WERNEBURG