DAS DING, DAS KOMMT : Heiliger Ernst
COSPLAY-KOSTÜME wie dieses sind in Hamburg in einer Comicausstellung zu sehen
Nein, einfach nur ausgefallene Faschingskostüme tragen der junge Mann mit der viel zu kurzen Pelzkragenjacke und dem überdimensionierten Plastikschwert gegenüber in der U-Bahn und seine Begleiterin im futuristischen Kampfanzug nebst ebenso überdimensionierter Plastikwumme nicht. Die beiden stellen ihre Lieblingscharaktere aus Computerspielen dar: den introvertierten Squall Leonhart aus der japanischen Rollenspielreihe Final Fantasy und einen Spartan-II-Supersoldaten aus Microsofts Egoshooter Halo.
Was dem Unbedarften wie eine schrullig-kindliche Spielerei vorkommen mag, wird mit heiligem Ernst betrieben: Bis zu 1.000 Euro Materialkosten und Hunderte von Arbeitsstunden stecken mitunter in den detaillierten Kostümen. Es wird recherchiert, gewebt, maßgeschneidert, geschreinert, Fiberglas gehärtet, gepinselt und geschminkt, bis man genauso aussieht wie das Idol.
Cosplay – ein Portmanteau aus „costume“ und „play“ – nennt sich der Verkleidungstrend, rasant ausgebreitet hat er sich in den 1990ern in Japan, wo der Tribut an die HeldInnen aus Mangas, Animes, Comicbüchern, Spielfilmen oder Computerspielen längst zum gewohnten Straßenbild gehört.
Erfunden hat das Cosplay, so erzählt es der Gründungsmythos, aber ein US-Amerikaner: Als Raumpilot und in einer Robe, die dem Sci-Fi-Klassiker „Was kommen wird“ nachempfunden war, erschienen der damals 22-jährige „Mr. Science Fiction“ Forrest J. Ackerman und seine Begleiterin auf der ersten World Science Fiction Convention in New York 1939. „Stylish angezogen in der Mode des 25. Jahrhunderts“ sei das Paar gewesen, erinnerte sich später der Space-Opera-Autor Frederik Pohl – und sah darin einen „unheilvollen Präzedenzfall“.
Natürlich hat der literarische Zukunftsforscher Recht behalten. Auch hierzulande schätzt man die Zahl der CosplayerInnen heute auf rund 10.000, kaum eineR von ihnen ist älter als 25 Jahre, rund Dreiviertel sind weiblich. Auf der Straße sieht man sie hier noch selten: Man bleibt unter sich, bei der Deutschen Cosplaymeisterschaft auf der Frankfurter Buchmesse, auf Manga-Conventions oder im Internet. Ein paar Kostüme aber kann man nun im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe sehen: Im Rahmen der Ausstellung „comicleben_comiclife“. ROBERT MATTHIES
■ Ausstellung ab Fr, 20. 12., Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, bis 4. Mai 2014