DAS DING, DAS KOMMT : Der ewige Zwitter
DAS HORN, von Mozart einst belächelt, ist zu Schleswig-Holsteins Instrument des Jahres gekürt worden
Aus Muscheln, Schnecken, Widder-Kopfschmuck Jagdhörner machen: Das konnten schon die alten Assyrer und Ägypter um 2.000 v. Chr.; später zogen Etrusker und Griechen nach. Und sie konnten das Horn auch schon zum Kreis biegen, sodass man nicht nur einen Ton darauf blasen konnte, sondern deren mehrere – und das in verschiedenen Tonarten.
Im europäischen Mittelalter, dem die Antike als indiskutabel heidnisch galt, hat man das dann aber vergessen und stattdessen wieder auf die primitivere Ausfertigung gesetzt: schlichte Hörner, an der Spitze oder durch ein seitliches Loch geblasen, die Wächter, Turmbläser und Bäcker benutzten; letztere verkündeten damit, dass das Brot fertig sei. Erst im Spätmittelalter erfand man das Rundhorn der Antike neu – und von da an ging’s bergauf mit dem Horn, das die Landesmusikräte Schleswig-Holstein und Berlin jetzt zum Instrument des Jahres 2015 gekürt haben.
Schirmherr ist Jens Plücker, Erster Solohornist des NDR-Sinfonieorchesters, und Ziel ist, nicht nur das Image des Horns aufzubessern, sondern auch Nachwuchs zu ködern. Denn das einst den unteren Ständen und Genres vorbehaltene Horn ist, ab ungefähr 1700 von Komponisten eingesetzt, längst in der Klassik angekommen.
Andererseits hat es den Ruch des tümelnden Jagdhorns nie ganz ablegen können, ist auch im Sinfonieorchester immer belächelter Zwitter geblieben. Selbst Mozart, dessen vier Hornkonzerte gekonnt mit der Spannung zwischen Bukolik und Klassik spielen, konnte sich Ironisches nicht verkneifen: In etliche seiner Partituren, die er für den befreundeten Hornisten Joseph Leutgeb komponierte, schrieb er Sätze wie: „Wolfgang Amadé Mozart hat sich über den Leitgeb Esel, Ochs und Narr erbarmt.“
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Schelte die falsche Gruppe trifft: Das Horn mit seinem nur pfenniggroßen Mundstück erfordert enorme Lippenspannung und ist eins der am schwersten zu spielenden Blasinstrumente. PS