DAS AUSSENSEITERGEFÜHL : Bäuche sprießen
In Prenzlauer Berg werfen sie wieder. Die Frauen wie auch die Karnickel auf dem Helmholtzplatz. Überall sprießen Bäuche, platzen Kleider aus den Nähten, watscheln gesundheitsbeschuhte Frauen mit Wasser in den Beinen in Richtung Bioladen.
Für mich als nichtschwangere Frau ist das Entspannung pur. Der Weg zu Edeka oder ins Café um die Ecke kann im Gammellook zurückgelegt werden: Fettige Haare kennt hier schließlich jede Mutter vom morgendlichen Blick in den Spiegel. Auch wenn ich mich mal aufhübsche, muss ich keine Angst davor haben, dass mich jemand anschaut. Vor allem nicht die Männer. Die sind viel zu beschäftigt damit, den Kinderwagen zu schieben, ihr Baby vor den Bauch geschnallt durch die Gegend zu tragen oder den prallen Bauch ihrer Freundin zu streicheln.
Trotzdem fühle ich mich immer mehr als Außenseiter. Ich höre nachts laute Musik und schreibe böse Briefe an Nachbarn, die samstagmorgens um acht Staubsaugen. Das mögen sie hier nicht so gern. Dann ist da noch dieser hinterhältige Minderwertigkeitskomplex, der mir ständig zuflüstert: Du bist zu dünn! Und er hat recht. Wie nämlich fühlt sich eine Gazelle zwischen lauter Nilpferden? Eben, Arschkartenalarm.
Also ziehe ich seit einiger Zeit nur noch locker geschnittene Kleider an, die unter dem Stoff mindestens ein Viermonatsbäuchlein vermuten lassen. Die Hand mit der Zigarette verstecke ich hastig hinter meinem Rücken, wenn mir wieder eine zufriedene Kugelschieberin entgegenkommt. Bloß nicht auffallen.
Eines Abends dann, als ich zügigen Schrittes am Späti in meiner Straße vorbeilaufe, mustert mich ein Obdachloser sehr gründlich von oben bis unten, nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche und stellt fest: „Nicht schwanger. Geil.“ Die Ansprüche von Singles in Prenzlauer Berg sind ohne Zweifel gesunken.
FRANZISKA SEYBOLDT