DAS ARBEITSLOSENGELD II DROHT ZU EINEM DESASTER ZU WERDEN : Schlimmer als Maut und Dosenpfand
Eigentlich hätte man es sich denken können, wie das so wird in Deutschland, wenn irgendjemand „Bürokratie abbauen“ will. Dass die Dinge dann nicht einfacher, sondern erst recht kompliziert werden. Man könnte sagen: Ein Desaster droht, schlimmer noch vielleicht als die Einführung der Lkw-Maut oder des Dosenpfandes. Die Rede ist von der Einführung des Arbeitslosengeldes II (Alg II).
Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Alg II war ursprünglich für Januar 2005 geplant. Das Problem der geplanten Vereinfachung liegt nur leider darin, dass sie paradox funktioniert, was sich aber erst jetzt herausstellt. Werden Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt, ist die Betreuung der Erwerbslosen erst recht kompliziert – Sozialämter und Arbeitsagenturen kommen sich nämlich ständig in die Quere.
Diese Überschneidung der Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen war der entscheidende Fehler in der Konstruktion der Leistung. Nachdem die Verhandlungen über das so genannte „Optionsmodell“ gestern gescheitert sind, wandert die alleinige Zuständigkeit für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen nun in die örtlichen Arbeitsagenturen. Diese sollen vor Ort mit den Sozialämtern Arbeitsgemeinschaften bilden, weil die Sozialämter ja jetzt schon erfolgreiche Beschäftigungsprojekte managen. Dass es hierbei zu großen Reibungsverlusten kommen wird, ist klar.
Hinzu kommt die ungeklärte Finanzierung des Alg II: Die Kommunen sollen künftig für die Mietkosten, die Arbeitsagenturen hingegen für den Regelsatz der Alg-II-Empfänger zuständig sein. Die Gemeinden wehren sich dagegen, sie rechnen mit Milliarden an Mehrkosten.
Es bestehen also gewisse Aussichten, dass das Alg II gar nicht im nächsten Januar kommt, sondern bis ins Wahlkampfjahr 2006 vertagt wird. Das wäre ganz nach dem Geschmack der CDU. Die Arbeitslosen können diesem Treiben allerdings nur in ohnmächtiger Wut zusehen – aber um die ist es ja auch bei der „Vereinfachung“ ohnehin nie gegangen. BARBARA DRIBBUSCH