DANIEL WEINGÄRTNER ÜBER DIE EU UND DIE TRANSAKTIONSSTEUER : Bitte weiterspekulieren
Die EU-Kommission hat recht, wenn sie fordert, dass neue Finanzmarktregeln weltweit eingeführt werden müssen. Würden nur in Europa hochriskante Transaktionen verboten oder verteuert, es wäre wenig gewonnen. Die Spekulanten würden sich einfach andere Finanzplätze suchen. Darauf weist der zuständige Steuerkommissar in seinem Arbeitspapier für die Finanzminister, in dem er Vor- und Nachteile einer Transaktionssteuer auflistet, zu Recht hin.
Die Finanztransaktionssteuer wäre ein gutes Mittel, um hoch riskante Finanzspekulationen teurer und damit unattraktiver zu machen. Inzwischen wirbt auch die Bundesregierung dafür. Frankreich will die Steuer ebenfalls. Doch mit ihrem Arbeitspapier setzt die EU-Kommission hinter das ganze Modell ein großes Fragezeichen. Im Klartext lautet ihre Botschaft: Die internationalen Finanzströme sind so kompliziert und unberechenbar, dass niemand die Folgen politischer Einmischung vorhersagen kann. Deshalb sollten sich die Politiker besser ganz heraushalten.
Wohin dieser Weg führt, hat die Finanzmarktkrise gezeigt. Wenn sich der wirtschaftsliberale Flügel der EU-Kommission mit der Forderung durchsetzt, auch in Zukunft auf das freie Kräftespiel der Finanzinstitutionen zu vertrauen, ist die nächste Krise vorprogrammiert. Außerdem ist es taktisch unklug, ein Steuerinstrument, für das sich die EU auf internationaler Ebene einsetzt, intern madig zu machen. Das schmälert die Chancen für eine globale Lösung. Auf europäischer Ebene aber würde die Steuer dann ebenfalls nicht kommen. Denn das hätte ja, wie der Steuerkommissar in seinem Papier betont, negative Auswirkungen auf die heimischen Finanzplätze. Ein Zirkelschluss, der die Spekulanten freuen dürfte.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 9