: Cyber-Garten
■ Maria Hobbing in Stade: Pflanzen im Computer, auf Folie und als Musiker
Nahe dem Zentrum von Stade liegt im Yachthafen die „Greundiek“. Das fahrfähige Küstenmotorschiff von 1955 bietet seit zwei Jahren in seinem Laderaum dem 1988 gegründeten Stader Kunstverein Unterschlupf. Der rostschutzrote Raum ist eine unruhige Location, die die Kunst zu dominieren droht. Doch die Hamburger Künstlerin Maria Hobbing ist sensibel mit der Herausforderung umgegangen. Die Kohlblätter ihrer farbverfälschten Fotos scheinen zwischen den Verstärkungsrippen aus der rostigen Schiffswand herauszuwachsen, der Computermonitor steht auf einer alten Tonne.
Auf 80 Quadratmetern hat die 1958 in Heidelberg geborene Künstlerin mit flüssigem Plastik bemalte Folien, Fotos und Projektionen zur mehrschichtigen Installation „Quantisierter Garten“ kombiniert. Projektionen von Landschaften brechen sich in den Folien, biologische Formen werden zeichnerisch aufgenommen und permutiert. Das Betreten einer Gartenbeet-Fußbodenplatte veranlaßt einen Computer, künstliche Pflanzen wachsen zu lassen. Die Natur wird zu einer Allegorie der medialisierten Welt, der Wachstumsmarkt der virtuellen Weltmodelle zu einem manieristischen Garten.
Viele Künstler versichern sich zur Zeit zeichnend der Natur, ein romantischer Zug, wie er in Umbruchszeiten immer wieder auftritt: So wie im vorigen Jahrhundert die Romantik auf das Scheitern Napoleons und die frühe Industrialisierung reagierte, sind heute wieder die Ideologien zerbrochen, und die Rest-Natur steht durch Gentechnologie unter verschärftem Druck.
Kunst reagiert darauf nicht mit moralischem Aposteltum oder einem unmöglichen „Zurück zur Natur“. Es reicht Hobbing, die zahlreichen Schichtungen unseres artifiziellen Naturverständnisses aufzuzeigen und daran zu erinnern, daß die Gartenkunst schon seit 500 Jahren die Natur verformt hat.
Der Hamburger Jazzmusiker und DESY-Techniker Heinz Erich Gödecke läßt die Pflanzen dazu scheinbar selbst sprechen. Mit komplizierter Elektronik gewinnt er den geringsten Schwankungen elektrischer Potentiale in den Blättern Töne ab. Den so gewonnenen Zufallssound kombiniert er mit seinem Spiel auf Posaune, tibetischen Hörnern und dem australischen Didgeridoo. Hannes Wienert begleitet ihn auf den Altsaxophon und mit Klangschalen. Dazu wird der Klang des Wassers von außen in den Schiffsbauch zugespielt. Ohne den Anker zu lichten geht die Reise mit Auge und Ohr zu eigenen Gartenwelten, sofern man den realen Weg nach Stade nicht scheut.
Hajo Schiff Konzert: Sa, 27.7., 20 Uhr, Kulturschiff „Greundiek“ im Stader Hafen Ausstellung: Fr, 15 bis 17 und Sa/So, 12 bis 16 Uhr, bis 28.7.
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