Cross-Border-Leasing läuft aus: USA gegen globalen Steuerbetrug
Behörden und Investoren in den USA beenden das Cross-Border-Leasing bis Ende 2008 vorfristig. Aber noch ist unklar, wie die Verträge aufgelöst werden können.
KÖLN taz In den USA wird Cross-Border-Leasing (CBL) noch in diesem Jahr auslaufen. Das bedeutet nicht nur das Aus für einen milliardenschweren globalen Steuerbetrug, es könnte auch vielen deutschen Städten einen Neuanfang im Umgang mit der öffentlichen Infrastruktur ermöglichen - wenn denn klar wird, wie sich die komplexen Verträge auflösen lassen.
Den vorläufigen Schlusspunkt setzte die US-Steuerbehörde. Der Internal Revenue Service (IRS) forderte die etwa 100 Investoren in den USA per Formblatt dazu auf, ihre CBL-Verträge mit kommunalen Unternehmen in anderen Ländern bis zum 31. 12. 2008 vorfristig zu beenden. Andernfalls würden diese zwangsaufgehoben. Am 21. Oktober teilte der IRS mit, dass 80 Prozent der Angeschriebenen einem Vergleich mit der Behörde zugestimmt haben. Für 2007 erhalten sie noch 20 Prozent des beantragten Steuervorteils und müssen keine Strafe zahlen. Außerdem beenden sie die Verträge. Wie Letzteres allerdings genau aussehen soll, ist bislang vollkommen unklar - schließlich sind an den CBL-Verträgen nicht nur Verkäufer und Investor beteiligt, sondern auch noch jeweils eine Handvoll Banken.
Ende der Neunzigerjahre hatte CBL nicht nur den Investoren, sondern auch vielen Städten als Geheimtipp gegolten - rund 800 Kommunen verkauften Infrastrukturanlagen wie Klärwerke, Schienennetze und Messehallen fiktiv und mieten sie seitdem zurück. Die Verträge sind auf 99 Jahre abgeschlossen, aber nach 30 Jahren kündbar. Die US-Steuerbehörden waren von Anfang an gegen das Konstrukt. Aber erst 2004 verbot der US-Kongress neue Verträge. Die US-Finanzämter erteilten ablehnende Steuerbescheide, wogegen die Investoren wiederum klagten.
Das entscheidende Urteil sprach das Bezirksgericht des Northern District of Ohio am 28. Mai. Geklagt hatte der AWG Leasing Trust gegen die USA. Der Trust ist die Briefkastenfirma der beiden US-Banken Key Bank und Pittsburgh National Corporation in der Finanzoase Delaware. Diese hatten 1999 den Müllofen der Abfallwirtschaftsbetriebe Wuppertal GmbH übernommen und an die Stadt Wuppertal zurückvermietet. Das bis 2024 datierte Geschäft lief über den Trust.
Die Richter rekonstruierten die Transaktion genau: Die Banken hatten den Müllofen für 75 Jahre für 422 Millionen US-Dollar gekauft und dafür ein Darlehen über 368 Millionen bei der Norddeutschen Landesbank und der Landesbank Baden-Württemberg aufgenommen. Die Wuppertaler Abfallgesellschaft AWG erhielt vom Kaufpreis nur die einmalige Belohnungsprämie von 28 Millionen Dollar. 26 Millionen Dollar zahlten die Investoren an den US-Versicherungskonzern AIG. Der sollte daraus am Ende der Leasingzeit 2024 den festgelegten Rückkaufpreis an die Investoren auszahlen, damit Wuppertal seinen Müllofen zurückbekommt. Die restlichen 368 Millionen wurden sofort an Tochtergesellschaften der beiden Landesbanken durchgereicht: Sie sollten bis 2024 im Namen der Stadt die Rückmietraten an die Briefkastenfirma AWG Leasing in Delaware zahlen.
Die beiden US-Investoren wollten vom IRS allein von 1999 bis 2003 rund 88 Millionen Dollar Steuervorteile. Der IRS versagte dies 2006 definitiv. Die Richter erklärten nun, Verkauf und Eigentümerwechsel seien nur vorgetäuscht. Dafür spreche der zirkuläre Geldfluss zwischen Banken und Investoren. Die Darlehensaufnahme sei keine echte Verschuldung und die Wuppertaler Abfallgesellschaft weiter für den Betrieb verantwortlich.
Die Stadt Wuppertal ist nun keineswegs erlöst. Denn das Gericht beschäftigte sich ausschließlich mit der steuerlichen Absetzbarkeit von CBL in den USA. Die Wuppertaler Verträge mit den Landesbanken und der Versicherung AIG laufen bis 2024 weiter. Und bei den Finanzinstituten würde sich die ohnehin schon bestehende Krise vertiefen, wenn der zirkuläre Geldfluss bei diesem und weiteren CBL jetzt unterbrochen wird.
WERNER RÜGEMER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt