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"Commune" Ausstellung in ChemnitzChina in Sachsen

Die chinesische Künstlerin Yin Xiuzhen versucht sich in Chemintz an einer kollektiven Erinnerungskunst. Vom Weltmarkt und Untergang einer lokalen Textilindustrie.

"Sieh mal, das war doch mal ein Ärmel", meint ein kleines Mädchen, dessen Blick auf ein gelbes Stück Stoff gerichtet ist, das Teil einer langen Bahn aus lauter gelben aufgeschnittenen und neu zusammengenähten Kleidungsstücken ist, die sich bis in fünf Meter Höhe erstreckt. Zusammen mit weiteren solchen Stoffbahnen, die alle aus farblich aufeinander abgestimmten Einzelteilen zusammengesetzt sind und so ein buntes Streifenmuster ergeben, bildet sie den Anfang eines zehn Meter messenden Rondells. In seinem Innerem rattern während der Ausstellungseröffnung emsig die Nähmaschinen, während weitere farblich sortierte Kleiderberge darauf warten in das Werk eingearbeitet zu werden.

Ausgedacht hat sich diese Textilskulptur Yin Xiuzhen, deren Kunst schon oft unter Verwendung von getragenen Kleidungsstücken entstanden ist. Für ihr unabgeschlossenes Projekt "Knitting Wool" (1995) sammelte sie handgestrickte Pullover von Freunden. Sie ribbelte sie auf und verarbeitete die unterschiedlichen Fäden der Vergangenheit nach und nach in neue textile Formen. So passt es gut, dass die chinesische Gegenwartskünstlerin zu den fünf international renommierten Künstlern zählt, die der Kurator Volkmar Billig im Rahmen des Projekts "TransAktion - Skulpturen des Übergangs" eingeladen hat, um sich mit der Geschichte und Gegenwart von Chemnitz auseinanderzusetzen. Die großräumige Skulptur in der Bürgerhalle des Moritzhofs mit dem Titel "Commune" verbindet den Kommentar zu einem ehemals klassischen Zentrum der europäischen Textilindustrie geschickt mit einer umfassenden Gemeinschaftsaktion. Die abgetragenen Kleidungsstücke sind Spenden aus Chemnitz, und ehemalige Textilarbeiterinnen sowie weitere Helfer fanden sich ein, gemeinsam mit der Künstlerin diese Erinnerungsarchitektur zu entwickeln. Beinahe selbstverständlich wirkt das alles.

Aber ist das Bild nicht doch zu harmonisch? Lässt sich so der tragische Niedergang einer Industrie thematisieren, verursacht durch die Weltmarktkonkurrenz, vor allem aus China? Zumal die Künstlerin selbst aus diesem Land stammt? Nun ist zwar Yin Xiuzhen Chinesin, deshalb aber vertritt die Künstlerin noch lange nicht die Wirtschaftspolitik der Volksrepublik China. Gerade durch die Zusammenarbeit mit den Chemnitzer Näherinnen zeigt sie ihre Sympathie für die persönlichen Schicksale, die hinter der globalen Entwicklung stehen. Die derzeitigen Verliererinnen der Globalisierung besetzen in "Commune" die Hauptrollen.

Als weiteres Beispiel ihres Nachdenkens über den vermeintlichen Fortschritt im eigenen Land ist Yin Xiuzhen Arbeit "Collective Unconscious" (2007/08) in der Berliner Galerie Alexander Ochs erwähnenswert. Kleidungsstücke von weltweit gängigen Markenfirmen, die alle "made in China" sind, erinnern unweigerlich an Chinas Rolle als Sweatshopstandort und Billigproduzent.

Die kollektive Stoffarchitektur von "Commune" entspricht der von Joseph Beuys geprägten Idee der "sozialen Plastik", in der die Kreativität aller Beteiligten gefragt ist. Auch die Künstlerin wird Teil des von ihr initiierten Kollektivs. Was aber geschieht, wenn der Vorhang sich schließt und die temporäre Manufaktur ihre Aufgabe erfüllt hat? Die Produktionsstätte verschwindet im Inneren der entstandenen Skulptur, wo sie nach Abschluss der Arbeit als Bestandteil des vollendeten Kunstwerks verbleibt. Nur noch offen gelassene Arm- und Kragenlöcher gewähren einen Blick auf die verlassenen Nähmaschinen. Was als "soziale Skulptur" begann, scheint dann zum musealen Objekt geronnen zu sein. Ganz verloren geht der ursprüngliche soziale Geist aber nicht. Ein Blick durch die Öffnungen lässt die Energie, die zuvor den Raum erfüllte, neben dem Stillstand der ehemaligen Produktion erahnen. Außerdem wird in einer zweiten Ausstellung, die zeitgleich in der Galerie Weltecho stattfindet, die gelungene Gemeinschaftsarbeit noch einmal in ihrem Entstehungsprozess gewürdigt.

Trotzdem empfindet man die Fertigstellung der Skulptur als letztlich schmerzlich. Denn damit wiederholt sich die Erfahrung des Stillstands, eine Erfahrung, die die ehemalige Textilstadt Chemnitz nur zu gut kennt. Immerhin ist aber in der textilen Haut von "Commune" auf brillante Weise die Geschichte der Chemnitzer Industrieregion mit den weniger offenkundigen, individuellen Geschichten der verwendeten Kleidungsstücke verbunden. Leichter Hand bringt Yin Xiuzhen mit ihrem Kunstwerk das Kunststück fertig, das persönliche Schicksal als das der globalen Welt zu umreißen.

JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

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