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■ ChronologieReihenweise Reaktorpannen

Berlin (taz) – Eine Aufstellung von Reaktorpannen ist wegen der unterschiedlichen Informationspolitik der einzelnen Staaten zwangsläufig unvollständig – aber trotzdem erschreckend. Bis Ende der 60er Jahre gerieten reihenweise Forschungsreaktoren außer Kontrolle. Fünfmal schmolz ein Reaktorkern in den USA oder Kanada, offiziell einmal in Rußland – die Vorstufe zur Explosion wie in Tschernobyl war also schon öfter erreicht. Es folgt eine Auswahl der größten Unfälle in zivilen AKWs.

1978 In Bjelojarsk im Ural stürzt die Turbinenhalle des Atomkraftwerks ein. Es entsteht ein Brand. Der Reaktor gerät außer Kontrolle, acht Arbeiter werden verstrahlt.

1979 Im Atomkraftwerk Three Miles Island, einem Druckwasserreaktor bei Harrisburg im Nordosten der USA, schmilzt ein Drittel des Reaktorkerns. 500.000 Giga- bequerel (Giga = Milliarde) Strahlung werden frei. Vier Tage kämpften die Ingenieure unter der ständigen Gefahr, daß der Reaktor explodiert – seitdem werden in den USA keine neuen Reaktoren gebaut.

1986 In Tschernobyl, Ukraine, kommt es in Block vier nach einem Graphit- Brand zur Kernschmelze. Durch eine Explosion wird der Reaktor zerstört. Zwei Millionen Gigabequerel werden freigesetzt, andere Schätzungen gehen von zehn- bis zwanzigmal mehr Strahlung aus.

1988 Im kanadischen Atomkraftwerk Pickering-4 gerät der Reaktor außer Kontrolle. Brennelemente werden beschädigt.

1989 Das Kraftwerk Vandellos-1, Spanien, wird durch einen Brand zerstört.

1991 In Tschernobyl, Ukraine, stürzt in Block zwei nach einem Brand in der Turbinenhalle das Dach ein und zerstört alle Hauptkühlpumpen. Seither stillgelegt.

1991 In Salem, New Jersey, versagen die Turbinen auf katastrophale Weise: die Rotorblätter durchschlagen das Gehäuse, Bruchstücke fliegen in alle Richtungen. Der Generator brennt.

1992 In Sosnovy Bor nahe St. Petersburg, Rußland, reißt ein Kühlkanal ab. Ursache war Überhitzung, als sich ein Regelventil fehlerhaft öffnete und der Kühlmittelfluß zurückging. Dieser Reaktor ist vom Typ RBMK wie in Tschernobyl und war eigentlich in Zusammenarbeit mit westlichen Experten „ertüchtigt“ worden.

1993 Im amerikanischen Atomkraftwerk Fermi-2 versagen die Turbinen. Erst brennt die Turbinenhalle, dann wird sie von vier Millionen Liter Wasser und 65.000 Liter Öl überflutet.

1995 In Japan laufen aus dem schnellen Brüter von Monju mehrere Tonnen Natrium aus und entzünden sich im Reaktorgebäude. Eine Explosion des Kerns konnte knapp vermieden werden. kuz

Quelle: „Handbuch der Reaktor-Pannen“. Öko-Institut, Wien 1994. Eine Diskette mit Daten über 1.500 Störfälle ist bei Greenpeace erhältlich.

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