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Archiv-Artikel

Christian Buss Der Wochenendkrimi Glaube, Liebe – und Verzicht

Ein ermordeter Pfaffe, das ist für den aus Hamburg-St.-Pauli zugezogenen Thiel (Axel Prahl) keine große Sache. Also muss ihn die Staatsanwältin erst mal in die kriminalistische Währung einführen, die in der katholischen Enklave Münster gilt: „Ein toter Priester zählt hier so viel wie zwei tote Bürgermeister oder drei tote Polizisten.“

Einen hoch brisanten Job hat der Kommissar mithin zu erledigen, nachdem der erzkonservative Regens eines Priesterseminars totgefahren wurde. Bei dem Mordanschlag kam auch Kollege Börne (Jan Josef Liefers) zu Schaden, fortan stapft er mit zwei bandagierten Händen durch die Handlung und ist auf Haushälterin Karin Ellinghaus (Johanna Gastdorf) angewiesen. Die ist zugleich die Zugehfrau von Priester Wolff (Ulrich Noethen) – dem Nachfolger des Ermordeten.

Es ist also am Anfang alles wie immer im Mega-Provinznest Münster: Jeder kennt hier jeden und schwatzt darüber, nur Thiel steht blöde in der Gegend rum. Deshalb muss wieder mal Börne den Quadratschädel ans Händchen nehmen und personelle, lokalpolitische und in diesem Falle eben auch klerikale Verflechtungen aufzeigen.

Doch dann passiert in „Tempelräuber“ (Regie: Matthias Tiefenbacher, Buch: Magnus Vattrodt) etwas Wunderbares: Aus dem Krimireigen, bei dem Börne diesmal nicht nur den Fremdenführer, sondern gleich auch noch den Westentaschensymbologen gibt, schält sich ein aufwühlendes Lehrstück zum Thema Glaube und Verzicht. Wo sonst im Münsteraner „Tatort“ das Diktat zum Morbiden und Monströsen herrscht, entfaltet sich die Kunst der Andeutung und leisen Sentiments.

Nicht zuletzt durch die Episodendarsteller, allen voran der furiose Ulrich Noethen, entwickelt sich ein Religionsdrama ohne jeden spekulativen Kirchenhorror: Mächtig prangt hier das Kreuz über den Menschen, die im Verborgenen ihre Sehnsucht nach Nähe, Liebe und Körperlichkeit stillen.

Münster-„Tatort“: Tempelräuber, So. 20.15 Uhr, ARD