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Christa Pfafferott Zwischen MenschenDas Grollen der Kampfjets

Der Himmel kracht. Es donnert in Schwerin. Ich gehe über ­einen kleinen Platz in der Altstadt. Es sind die ersten Tage des ­Herbstes. Und die ersten Tage, seitdem der Krieg im Nahen Osten wieder ausgebrochen ist. Vor mir geht eine ältere Dame. Ihr Blick wandert überrascht zum Himmel. In ihre alltägliche Versunkenheit bricht auf einmal der Klang des Kriegs. Es ist das Grollen von Kampfjets. Zwei dunkle Jets fliegen tief über uns hinweg, Richtung Schweriner See. Das ­Grollen dringt in meine Ohren, in meinen Körper. Der ­Rhythmus des Lebens ist schlagartig ­unterbrochen.

Ein Schauer erfasst mich. Verbunden mit den Nachrichten der letzten Tage ist es, als würde das Weltgeschehen auf einmal über mir am Himmel nahbar werden. Was waren das für Kampfjets? Eurofighter? Machen sie Übungsflüge in Mecklenburg-Vorpommern?

Ich erinnere mich an ein Gespräch, das eine Freundin und ich mit einer älteren Frau in der Müritzregion führten. Sie war bei der Bürgerinitiative „Freier Himmel“ aktiv gewesen, die sich gegen das sogenannte „Bombodron“ gebildet hatte. Verschiedene Kampfjets sollten in der Heide Bombenabwürfe trainieren.

Doch der Widerstand gegen das Proben des Krieges war so groß, dass die Bundesregierung vor 14 Jahren schließlich ihre Pläne aufgab. Es war damals für die Initiative aus dem Nordosten Deutschlands eine wichtige Erfahrung, mit ihrem Protest demokratisch etwas bewirken zu können. Die Dame vom Bündnis hatte von Mut gesprochen, wie nötig es ist, sich für Frieden und Freiheit einzusetzen.

Ich laufe die Straße hinauf. Das Grollen der Kampfjets verhallt hinter mir wie ein Vorhang, der sich aufgebauscht hat und nun zu Boden gleitet. Vor mir läuft ein Mann, der auch zum Himmel geblickt hat.

„Wissen Sie zufällig, was das für Kampfjets waren?“, frage ich.

„Womöglich amerikanische F-12. Die sind eckig“, sagt er. Die Jets kämen vielleicht aus Ramstein, mutmaßt er weiter. Die Air Base Ramstein, der Militärstützpunkt der USA in Rheinland-Pfalz. Er meint, dass sie Zwischenstopp in Rostock machten, um von dort ­weiterzuziehen.

„Und wohin?“ Er lacht auf. „Na, in den Krieg“, meint er lapidar.

Der Lärm sensibilisiert

Zu Hause recherchiere ich nach Kampfjets. Ich lese, dass vom 16. bis zum 27. Oktober die Luftwaffenübung „Baltic Hunter“ auf dem Luftwaffenstützpunkt Rostock-Laage stattfindet. Verschiedene Luftfahrzeuge und Kampfjets starten und landen hier. Am Himmel fliegen einige in Überschallgeschwindigkeit. Die Übung soll die sogenannte Waffenlehrerausbildung abschließen. Deutsche Soldatinnen und Soldaten ­proben hier fiktive Szenarien.

Christa Pfafferott ist Autorin und Dokumentar-filmerin. Sie hat über Macht-verhältnisse in einer forensischen Psychiatrie promoviert. Als Autorin beschäftigt sie sich vor allem damit, Unbemerktes mit Worten sichtbar zu machen.

Vor dem Hintergrund des Krieges im Nahen Osten, in der Ukraine, der Kriege überall auf der Welt, wirken diese Übungen unmittelbar. Es hat für mich etwas Perfides, auf dem Weg zum Bäcker in Schwerin das Grollen der Kampfjets zu hören. Die Gleichzeitigkeit von Sicherheit und Krieg bedrängt mich. Aber trotz meines Schreckens gibt es für mich keine Lebensbedrohung.

Was werden die Menschen in den Flugzeugen tun, nachdem sie über meinen Kopf hinweggeflogen sind? Für welchen Krieg üben sie womöglich? In was für einen Krieg ziehen sie? Wem bringen sie den Tod?

Mit dem Grollen der Kampfjets spüre ich ein überbordendes Gefühl von Trauer und Ohnmacht. Darüber, wie viel Schmerz die Kriege auslösen. Wie die Polarisierung zwischen Ländern und in der Gesellschaft zunimmt. Wie Menschen, die ich persönlich kenne, durch ihre Herkunft nun nah in die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten eingebunden sind. Das Grollen der Kampfjets lässt sich nicht ausschalten wie Nachrichtenbilder. Ich muss es anhören und sehe es vor mir. Damit sensibilisiert mich dieser Lärm auf eine paradoxe Weise auch. Dazu genau hinzuhören, hinzusehen. Ich denke an die Frau der Initiative „Freier Himmel“. Wie sie von Mut gesprochen hat, davon, wie wichtig es ist, für Frieden und gewaltfreie Lösungen etwas zu tun. Die Menschen ­haben damals kraftvoll protestiert.

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