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Chinas Bloggerstar unter PlagiatsverdachtGuttenberg in Shanghai

Han Han gilt in China als eine Art Universalgenie: begnadeter Autor, Rallyefahrer, meistgelesener Blogger. Nun werden im Netz Plagiatsvorwürfe gegen ihn erhoben.

Han Han, Chinas populärster Blogger, soll abgeschrieben haben. Bild: elke / photocase.com

PEKING taz | Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua nennt es episch "einen Kampf der Titanen des geschriebenen Worts". Gemeint sind Han Han, 29, der wohl meistgelesene Blogger der Welt, und Fang Zhouzi, ein bekannter Plagiatjäger. Was Mitte Januar als digitale Schlammschlacht begann, wird nun vor dem Volksgericht des Schanghaier Stadtbezirks Putuo ausgefochten.

Der Blogger Han Han wird als Gesicht einer neuen Generation gefeiert. "Postachtziger", so nennt man in China die smarte und spitzzüngige Jugend, die Mao nur vom Hörensagen kennt. Seinen ersten Roman schrieb Han Han mit 17 Jahren. "Die dreifache Tür" rechnete mit dem chinesischen Bildungswesen ab, erreichte eine Auflage von 2 Millionen Exemplaren. Es wurde der meistverkaufte Roman der vergangenen zwanzig Jahre.

Han Han begann zu bloggen, raste daneben als Rallyefahrer durch das Reich der Mitte, schrieb Songs und gründete eine Literaturzeitschrift. Größte Aufmerksamkeit erlangte er, als er sich im Netz mit intellektuellen Schwergewichten über Literatur und Gegenwartskultur stritt. Mit sprachlicher Flapsigkeit zeigte er seinen turbokapitalistischen Generationsgenossen, dass es eine Welt jenseits der staatlich verordneten Harmonie gibt.

Es droht ein jäher Sturz

Ai Weiwei verglich ihn mit Lu Xun, dem Ahnherren der modernen chinesischen Literatur. Ein Star war geboren. Das amerikanische Nachrichtenmagazin Time zählte ihn 2010 zu den 100 einflussreichsten Personen des Jahres, der New Yorker rief 2011 gar eine neue Han-Dynastie aus. Doch seit dem Jahreswechsel droht dem Vielgepriesenen ein jäher Sturz.

Auslöser war eine Blog-Trilogie, in der Han Han über die brisanten Themen Revolution, Demokratie und Freiheit schrieb. Aber die, die in Han Han einen Messias der politischen Modernisierung gesehen hatten, wurden schwer enttäuscht. China sei nicht reif für Demokratie, schrieb Han Han.

Und: "Demokratie ist nicht Chinas dringlichste Aufgabe." Auf Kritik an Korruption und Machtmissbrauch sei besser zu verzichten. Den Höhepunkt bildet sein Wunsch, "dass die Regierungspartei mutig nach vorne schreitet, und dass sie ihren Namen in einer nicht nur von ihr verfassten Geschichte hinterlässt".

War er überhaupt der Star?

Der Wind dreht sich nun, gegen Han Han. Viele Dissidenten sind aufgebracht. Ai Weiwei kommentierte auf seinem Blog, dass Han Han kapituliert habe. Und Fans fragen sich, ob ihr Star vielleicht gekauft wurde. Oder ob er überhaupt der Autor war. Das zweifeln mehrere Blogger an. Denn: Die angeblich von Han Han geschriebenen Texte erschienen an Vorabenden oder Tagen von Rallyerennen.

Unter den Zweiflern ist auch der landesweit bekannte Plagiatjäger Fang Zhouzi, der vor einiger Zeit den akademischen Schwindel eines chinesischen Wirtschaftsbosses aufgedeckt hat. Fang untersuchte nicht nur den Blog, sondern auch das belletristische Werk des Schriftstellers.

Und kam zu dem Schluss, manche seiner Romane seien von Ghostwritern und Han Hans Vater, dem Schriftsteller Han Renjun, geschrieben worden. Seither gibt sich Fang als strenger Moralist, der "die Jugend davor schützen möchte, von einem falschen Idol in die Irre geführt zu werden". Han Han hat Fang inzwischen wegen Rufschädigung verklagt. Chinas großer Bloggerkrieg wird also wohl vor einem Schanghaier Bezirksgericht entschieden.

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2 Kommentare

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  • B
    Besserwessi

    Noch etwas; "Guttenberg in Shanghai" ist auch flapsig dahergeschrieben.

    Auf Deutsch heisst diese Stadt weiterhin SCHanghai.

    Das kriegt ihr Kollege in Peking, der Moechtegern-Chinese, besser hin.

  • B
    Besserwessi

    "Mit sprachlicher Flapsigkeit zeigte er seinen turbokapitalistischen Generationsgenossen, dass es eine Welt jenseits der staatlich verordneten Harmonie gibt. "

     

    Da traegt Hr. Kalkhof aber maechtig auf.

    Seine Wortwahl laesst vermuten, dass er nur wenig Ahnung von Land und Gesellschaft hat.

    Wahrscheinlich soll die Einleitung zum Artikel locker flockig klingen, darauf kommt es ihm anscheinend an.

     

    Mit der angeblich "staatlich verordneten Harmonie"

    ist wohl die "Harmonische Gesellschaft " gemeint,

    ein schon seit ein paar Jahren laufendes Propagandamotto der Regierung.

    Jedes Kind weiss, dass genau das Gegenteil der Fall ist, niemand glaubt daran, was soll HanHan also aufzeigen ?

     

    Und zu den "turbokapitalistischen Generationsgenossen", die Generation, die hier beschrieben wird, sieht sich eher als Verlierer der wirtschaftlichen Reformen an, da der Kuchen schon verteilt ist. Eine Generation, die zwar im Ausland studieren darf, dann aber zurueck in China nur Stellen fuer RMB 3.000 ( ca. 350 Euro ) angeboten bekommt.