Chefredaktion auf der Genoversammlung: Die Zukunft im Blick

Die taz Chefredakteurinnen über Klimakrisen, Klassenfragen und globale Gerechtigkeit.

Die taz Chefredakteurinnen: Katrin Gottschalk, Ulrike Winkelmann, Barbara Junge (v.l.n.r.) Bild: Anja Weber

Anfang des Jahres dachten wir, die Klimakrise werde im Mittelpunkt des Wahlkampfs 2021 stehen. Dann verfing sich die Republik im Frühsommer in Diskussionen über Annalena Baerbocks Lebenslauf und allerlei Fußnoten in ihrem Buch. Dann kam die Flut und in ihrem Gefolge der Versuch von Rechtsextremen, diese Katastrophe politisch zu instrumentalisieren. Und wo stehen wir heute? Ist der Rechtsextremismus durch die Corona-Krise zu neuer Stärke gekommen? Wird es bis zum 26. September doch noch einen Kulturkampf um Gendersternchen geben? Rückt der Schock der Pandemie endlich auch noch die Fragen von sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt?

Für uns, die Chefredakteurinnen, für uns, die taz, ist klar: Ohne die großen Themen der Klimakrise und der Anpassung an ihre Folgen können wir die anderen großen gesellschaftlichen Fragen gar nicht deklinieren – und vice versa. Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, dass Sie uns und dass Ihr uns dabei unterstützt, liebe Genossinnen und Genossen. Wir sind, wir bleiben: getragen von vielen.

Generation Klima

Die Klimakrise ist die Generationenfrage unserer Zeit. Sie ist existenziell. Die Krise wirft die Klassenfrage auf, könnte den Rechtsextremen Räume öffnen, wird globale Konflikte verschärfen. Alle demokratischen Parteien haben inzwischen kapiert, dass sie handeln müssen, selbstverständlich als Regierung, aber genauso auch in der Opposition. Nur braucht es für wirkliche Veränderungen eine Regierung, die den Mut und die Durchsetzungskraft hat, tatsächlich substanziell etwas zu verändern. Und es braucht noch etwas: Eine Republik, eine Bevölkerung, die mitträgt, was unvermeidbar sein wird, die Druck auf die Regierung macht, auch und gerade jenseits von Wahlen. Die Aufgabe, diese Bereitschaft zu wecken, geht weit über Parteien hinaus.

In der Noch-nicht-post-Pandemie-Zeit, in der wir uns gerade mehr tastend als allzu sicher bewegen, wird es schwierig sein, von neuen, noch viel größeren Unsicherheiten zu sprechen. Aber das zu vermeiden und einfach wegzuschweigen, halten wir für keine gangbare Alternative. Auch wenn sich manche Parteien gerade zu den sozialen Kosten einer ökologischen Krisenbewältigung mehr als bedeckt halten. Hier kommen wir ins Spiel – die taz als publizistische Stimme. Die taz hat beschlossen, allen Lebenslaufdiskussionen zum Trotz dieses Jahr als Klimawahljahr zu behandeln. Wir wollen mit unserer Berichterstattung dafür sorgen, dass die Folgen der Klimakrise dort behandelt werden, wo sie hingehören: im Zentrum aller gesellschaftlichen Diskurse.

Genossenschaft als gesellschaftliche Kraft

Hier kommen aber auch wir alle ins Spiel, die Genossenschaft als gesellschaftliche Kraft. Sie leben, Ihr lebt über die Republik (und darüber hinaus) verstreut. Viele von Euch und Ihnen sind in politischen und sozialen Zusammenhängen, Initiativen, Netzwerken organisiert. Der ganz große Teil verfolgt den ökologischen Raubbau schon seit Jahren oder auch Jahrzehnten. Seit Jahrzehnten berichtet auch die taz ja zuvorderst aus dem Ressort „Ökologie und Wirtschaft“ über den gefährlichen Umgang mit den globalen Ressourcen, sowie über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge. Die Bereitschaft zur Veränderung und die notwendigen Bedingungen dafür zu schaffen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wie gut, dass es Euch alle und Sie alle gibt. Das macht Mut.

Klimakrise, Klassenfragen und globale Gerechtigkeit gehören zusammen. Wir haben uns entschieden, das zum großen gemeinsamen Thema der diesjährigen Genossenschaftsversammlung zu machen. Dazu gibt es am Nachmittag eine Podiumsdiskussion, bei der wir – nur eine Woche vor der Wahl – über die Forderungen und Erwartungen an die neue Bundesregierung sprechen. Wir haben die Zukunft im Blick, auch unsere eigene: Die Generalversammlung muss an diesem Tag auch eine Nachfolgerin für die scheidende Aufsichtsrätin Stefanie Urbach bestimmen. Und wir stellen der Versammlung vor, wie wir in diesem politischen Herbst den Fokus auf die politische Berichterstattung in unserer Wochenendzeitung stärken werden.

Wir freuen uns auf Sie und auf Euch! Katrin Gottschalk, Ulrike Winkelmann und Barbara Junge