Chefredakteur und Gewerkschafts-Vorsitzender: Ein Mann des Volkes
Malte Hinz ist seit zwei Monaten Chefredakteur der "Westfälischen Rundschau" - und Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union geblieben. Das passt nicht jedem.
DORTMUND taz Malte Hinz mag es nicht kühl und förmlich; locker soll es sein, gemütlich, gerade bei Dienstgesprächen. Deshalb hat Hinz auch den Besprechungstisch aus seinem neuen Büro in der Dortmunder Zentrale der Westfälischen Rundschau (WR) geräumt. Stattdessen stehen da jetzt zwei schwarze Sofas. Sonst hat Hinz kaum was verändert, nur ein paar Bilder aufgehängt. Und nun sitzt er da, auch locker: schwarzes Hemd, schwarze Hose, den Arm auf die Sofalehne gelegt.
Als Malte Hinz Anfang Dezember 2008 aufstieg vom Leiter des Lokalteils Lünen zum Chefredakteur der WR, polterte es in der Branche. Weil es eben selten vorkommt, dass ein langjähriger Betriebsratschef einer Zeitung Chefredakteur wird, zumal wenn er auch Bundesvorsitzender der Deutschen Journalisten-Union (dju) ist. Verstehen kann Hinz den Rummel um seine Doppelrolle nicht. Er sagt: "Wenn jemand, der Karriere macht, keine Funktion mehr in einer Gewerkschaft bekleiden dürfte, würde die zu einer Loserorganisation - das wäre schlimm."
Manche in seiner Gewerkschaft sehen das anders. Der dju-Landesverband Berlin-Brandenburg forderte rasch Hinz Rücktritt. "Dummes Zeug", sagt der, "man sollte mich messen an dem, was ich tue und was ich inhaltlich vertrete." Zurücktreten werde er nur, wenn sich beide Posten zeitlich nicht mehr vereinbaren ließen. "Dann werde ich meine Energie der WR zur Verfügung stellen. Darauf hat die Belegschaft einen Anspruch."
Die Belegschaft, die Menschen, die Kollegen. Davon redet Hinz gerne. Dann klingt er wie der ehemalige Betriebsrat und zuweilen so, als wolle er sich abgrenzen von Kathrin Lenzer, seiner Vorgängerin. Die kam im Januar 2008 von der konservativen Rheinischen Post zur traditionell SPD-nahen WR. Im Dezember kündigte sie wieder, plötzlich, aber nicht unerwartet.
Lenzer hatte es schwer bei der WR; manche im Haus haben offen gegen sie agitiert. Es heißt, sie sei kühl gewesen, unnahbar, zudem schrieb sie nicht selbst, was bei den Redakteuren gar nicht gut ankam. Hinz ist da anders. Er hat prompt einen Kommentar verfasst; Kollegen nennen ihn kommunikativ, offen, einen "Kumpeltyp". Er selbst sagt: "Meine Tür steht immer offen."
Fragt man Hinz, ob auch er an Lenzers Stuhl gesägt habe, antwortet er: "Das ist eine der jämmerlichen Geschichten, die verbreitet wurden." Er sagt das ganz ruhig, überlegt, wie immer. Und fügt an: "Ich habe Frau Lenzers Arbeit lediglich kritisch begleitet, wie sich das für einen Betriebsrat gehört."
Besonders begeistert scheint er dennoch nicht von Lenzers Arbeit. Und bereits im Herbst wurde Hinz von der Geschäftsführung erstmals gefragt, ob er sich vorstellen könne, Chef zu werden. Er konnte. Nur sei damals "eine zentrale Voraussetzung nicht erfüllt" gewesen; welche, dazu sagt er nichts.
Beobachter halten seine Berufung für einen Coup der Geschäftsführung. Die Essener WAZ-Gruppe, zu der die WR gehört, fährt auf dem Krisenzug wie so viele im Moment; sie will sparen, auch wie so viele. Hinz war als Betriebsrat einer der lautesten Kritiker der Sparpläne. "Mag sein", sagt er, "dass es ein Schachzug war, mich zum Chef zu machen, warum auch nicht?" Kritik an der Geschäftsführung könne er aber noch üben. Zudem habe er seine journalistische Kompetenz über Jahrzehnte unter Beweis gestellt. Und kenne den Laden und die Akteure so gut wie nur wenige andere.
Das stimmt wohl. Hinz ist jetzt 55, Vater eines Sohnes. Mit 16 Jahren schmiss er die Schule, volontierte beim Hellweger Anzeiger; 1977 wechselte er dann zur WR. Auch damals kriselte es; 1975 erst war die Rundschau vom WAZ-Konzern geschluckt worden. Wie etliche andere Titel im Pott auch.
Vielleicht trauen die Kollegen ihrem neuen Chef mehr als Lenzer, weil sie ihn kennen. Weil er mehr als 30 Jahre Betriebsrat war. Und weil er zur WR und ins Ruhrgebiet passt. Hinz stammt aus einfachen Verhältnissen, war früher mal Juso, aber nie in der DKP, auch wenn das so kolportiert wird und hinter seinem Schreibtisch Andy Warhols Lenin-Porträt hängt.
Unter Lenin will Hinz die WR nun aufpäppeln. Muss er auch. Von den vier NRW-Titeln der WAZ-Gruppe steht das Blatt am schlechtesten da. Hinz will das Lokale stärken und einen politischeren Mantel machen, der "klar sagt, wo wir stehen; das wird von der WR mit dieser Tradition verlangt." Sein Vorbild ist offenbar Klaus Schrotthofer, der bis 2007 WR-Chef war und Hinz zum Redaktionsleiter beförderte. Fällt dessen Name, beginnt Hinz ein bisschen zu schwärmen. Und umgekehrt. Schrotthofer sagt: "Hinz ist ein hervorragender Journalist."
Dass der seit Jahresbeginn auf die Nachrichtenagentur dpa verzichten muss, weil WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz sie für alle Titel abgeschafft hat, bedauert Hinz - klingt aber dann doch ganz kurz wie Reitz: Der neue Newsdesk, der künftig alle Titel versorgen soll, werde regional so breit aufgestellt sein, "dass es einem Nachrichtenanbieter wie dpa Paroli bieten kann".
Leicht ist der Job nicht. Bald wird sich zeigen, wie viele WR-Redakteure ihren Tisch räumen müssen. Hinz hofft, dass es ohne Kündigungen funktionieren wird. Und wenn alles angeschoben ist, hat er vielleicht auch wieder Zeit, mit seiner Coverband "Safer Six" aufzutreten. Auf der Homepage der Band ist Hinz zu sehen, animiert, wie er mit den Armen wirbelt. Sieht locker aus. Das mag Malte Hinz.
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