Chaos um Agro-Kraftstoff E10: Der große Benzinboykott
Vor dem E10-Gipfel verteidigt die Bundesregierung die Einführung des Agrosprits. Die Grünen fordern einen Stopp und die Ökoenergiebranche nennt das Benzin sinnvoll.
Kurz vor dem Benzingipfel am Dienstag kocht die Diskussion über die neue Spritsorte E10 hoch. Die Mineralölwirtschaft hatte in der vergangenen Woche einen Stopp der E10-Einführung angekündigt, weil die Kunden das neue Benzin nicht kaufen, obwohl es bislang meist nur geringfügig günstiger ist als herkömmliches Benzin. Sie befürchten, dass die Motoren ihrer Fahrzeuge Schaden nehmen können.
E10 ist Benzin, das bis zu 10 Prozent Ethanol vom Acker enthält. Ethanol wird aus Roggen, Zuckerrüben und Zuckerrohr gewonnen. 93 Prozent der Autos in Deutschland sollen E10 vertragen können; E5, das bis zu 5 Prozent Ethanol enthält, ist schon seit Jahren problemlos am Markt. Zum Benzingipfel hat die Bundesregierung die Mineralölwirtschaft eingeladen. Beim Gipfel soll geklärt werden, wie die Absatzprobleme des neuen Sprits gelöst werden können.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte, die Einführung von Biokraftstoffen diene dazu, "unsere Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren". Darüber gebe es einen Konsens über die Parteigrenzen hinweg. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) machte die Benzinhersteller für das Chaos bei der E10-Einführung verantwortlich. Die Mineralölwirtschaft müsse die Informationsdefizite abbauen, sagte Ramsauer. "Die Verwirrung an der Zapfsäule muss ein Ende haben."
Die Grünen gingen auf Distanz zu E10. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, Winfried Hermann (Grüne), forderte ein vorläufiges Aus für das Agrosprit-Projekt. Es müsse zunächst geklärt werden, welche Motoren den Sprit vertrügen und worin der ökologische Nutzen bestehe.
Der Bundesverband der Erneuerbaren Energien (BEE) kritisierte die Entscheidung der Mineralölwirtschaft, die E10-Einführung zu stoppen. "Damit torpedieren die Vertreter der Ölindustrie die Energiewende im Verkehrssektor", kritisiert BEE-Präsident Dietmar Schütz. Nachhaltig produzierte Biokraftstoffe seien derzeit die einzige Alternative zu fossilen Kraftstoffen, die in größerem Maßstab zur Verfügung stünden. Mit einem Anteil von bis zu 10 Prozent Bioethanol ersetze E10 klima- und umweltschädliches Erdöl.
"Erdöl wird nicht nur immer knapper, die Förderung wird auch immer aufwendiger und umweltschädlicher, beispielsweise durch Tiefseebohrungen", so Schütz. Zudem komme das Öl häufig aus Ländern, deren Regime es mit Menschenrechten nicht allzu genau nehmen. Der Treibhausgasausstoß von Bioethanol auf Pflanzenbasis liege im Vergleich zum Benzin um 50 bis 80 Prozent niedriger - vom Anbau der Rohstoffe bis zur Verbrennung im Motor. Mineralölwirtschaft und Autoindustrie betrieben eine desaströse Informationspolitik.
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