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Chaos in SomaliaÄthiopien hinterlässt Trümmerfeld

Zwei Jahre nach ihrem Einmarsch in Somalia zieht Äthiopiens Armee wieder ab. Erreicht hat sie nichts außer Chaos.

Geraten zunehmend unter Druck: Schabab-Milizen in Somalia. Bild: ap

NAIROBI taz Zwei Jahre nach ihrem Einmarsch in Somalia hat Äthiopiens Armee nach eigenen Angaben ihren Rückzug begonnen. "Es handelt sich um einen Prozess, der einige Zeit in Anspruch nehmen wird", erklärte Simon Bereket, Berater von Äthiopiens Premierminister Meles Zenawi. Dagegen, dass mit dem Abzug der militärisch bedeutendsten Kraft in der somalischen Hauptstadt Mogadischu ein Machtvakuum entsteht, habe man vorgesorgt. "Wir haben die nötigen Schritte unternommen, um einen Rückfall in die Gesetzlosigkeit früherer Zeiten zu verhindern", so Bereket.

Von einem möglichen "Rückfall" kann keine Rede sein. Ein Trümmerfeld hinterlässt die äthiopische Armee, die bisher Somalias machtlose Übergangsregierung unter dem inzwischen zurückgetretenen Präsidenten Abdullahi Yusuf im Amt gehalten hatte. Vor dem äthiopischen Einmarsch zur Einsetzung Yusufs Ende 2006 hatte es in Mogadischu erstmals seit fünfzehn Jahren eine Art Stabilität gegeben. Die regierende "Union Islamischer Gerichtshöfe" (UIC) hatte in nur einem halben Jahr an der Macht die illegal errichteten Straßensperren und "Mautstellen" abgebaut und die Warlords mit ihren Privatarmeen entmachtet. Selbst der damals noch gering ausgeprägten Piraterie vor Somalias Küste bereiteten die Islamisten unter der Führung des als vergleichsweise moderat geltenden Scheich Scharif Ahmed ein Ende. Zugleich verboten sie zwar die Vorführung von Fußballübertragungen und anderen Fernsehsendungen und ließen Diebe öffentlich zu Tode steinigen. Doch viele Bewohner Somalias, traditionell einem toleranten Islam verbunden, nahmen den fremden Islamismus zugunsten der Wiederkehr eines friedlichen Alltags in Kauf.

Nach dem äthiopischen Einmarsch und dem Sturz der UIC war es damit vorbei: Die islamischen Gerichtshöfe spalteten sich, die Extremisten gewannen an Gewicht. Ihre Truppen, die Al-Schabab-Milizen, liefern sich seitdem aus dem Untergrund heraus Kämpfe mit den äthiopischen Truppen und jedem, den sie als mit Äthiopien verbündet ansehen. 10.000 zivile Opfer, so UN-Schätzungen, haben diese Kämpfe gefordert.

Anstelle der Äthiopier will Somalias kopflose Übergangsregierung nun offenbar den ehemaligen Gegner einspannen. Augenzeugen berichten, Kämpfer von Scharifs moderater UIC-Fraktion hätten am Wochenende mehrere von den Äthiopiern verlassene Polizeistationen besetzt. "Damit wollen wir einen Ausbruch neuer Gewalt verhindern", sagte einer der Milizenführer lokalen Radiosendern. Scharif hatte sich letztes Jahr auf einen Friedensvertrag mit der Übergangsregierung geeinigt. Die Zahl der Abgeordneten im weitgehend machtlosen Übergangsparlament wurde über Nacht verdoppelt, um Platz für Scharifs Fraktion zu schaffen. Jetzt scheint sich der Deal auszuzahlen: Wenn Scharifs Truppen ihre ehemaligen islamistischen Kampfgenossen aufhalten können, dürfte Scharif die Nachfolge von Präsident Abdullahi Yusuf sicher sein.

In Mogadischu kursieren bereits Gerüchte, nach denen Scharif sich in Kairo mit Schabab-Eminenz Scheich Hassan Dahir Aweys treffen will. Die Aussöhnung mit Aweys, der von den USA als Terrorist gesucht wird, wird von mehreren arabischen Nationen betrieben. Auch Premierminister Hassan Hussein Nur Adde gilt als Befürworter einer Verhandlungslösung mit den radikalen Islamisten.

Unter Druck geraten ist die Schabab, die weite Teile Somalias kontrolliert, in den vergangenen Wochen durch eine neue Miliz namens Ahlus-Sunnah wal-Dschamaa, die bereits mehrere von den Islamisten besetzte Gebiete zurückerobert hat. "Wir werden Al-Schabab bekämpfen, bis sie Vergangenheit sind", kündigte einer ihrer Anführer, Scheich Abdullahi Abu Yusuf, am Sonntag an. Ob hinter der neuen Bewegung moderate Islamisten stecken oder entmachtete Warlords, ist derzeit unklar. Womöglich wird die Truppe auch von Äthiopien unterstützt. Denn dass Äthiopien Somalia einer wie auch immer gearteten islamistischen Regierung überlässt, glaubt in Somalia niemand. So überraschen auch Berichte nicht, nach denen mehrere Hundertschaften der äthiopischen Armee am Wochenende im Südwesten Somalias einmarschierten, wo die Schabab ihre Hochburgen hat. Der angebliche äthiopische Rückzug könnte sich schon in den kommenden Tagen als Überraschungsoffensive entpuppen.

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