■ Cash & Crash: Zittern und Zagen
Eigentlich ist der November für die Anleger keine schlechte Zeit. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat der Monat den Börsianern regelmäßig zu den besten Jahresgewinnen verholfen. Doch spätestens seit den hektischen Schwankungen an den Finanz- und Devisenmärkten scheinen sie die Orientierung verloren zu haben – und prompt blieb der Erntedanksegen aus.
Kaufen oder verkaufen? Zumindest am deutschen Aktienmarkt fehlen derzeit die richtungweisenden Faktoren. Der feste US-Dollar hat die Hoffnung auf eine baldige Zinssenkung gedämpft, und die Herbst- Performances der deutschen Unternehmen geben ein uneinheitliches Bild. Die lustlose Stimmung auf dem Börsenparkett spiegelte sich in der vergangenen Woche auch im Deutschen Aktienindex (DAX) wider: Der Stand von 1.522,95 Punkten zu Wochenschluß bei geringen Umsätzen wurde weitgehend als Produkt des Zufalls gewertet.
Schon das intuitive Betrachten der sich seit geraumer Zeit auf- und abbewegenden Charts verursacht bei den Anlegern flaue Gefühle in der Magengegend. Doch selbst wenn sich gewichtige Analysten wie die Deutsche Bank Research auf die Seite der Optimisten geschlagen haben – der Trend bleibt abwärts gerichtet. Das geht nun schon seit zwei Jahren so. Konnte beispielsweise der FAZ-Index im Frühjahr 1990 noch einen Höchststand von 830 Punkten verbuchen, ist er heute bereits unter die 600-Punkt-Marke gerutscht. Und der Deutsche Aktienindex (DAX) lag während der Osteuphorie um gut 300 Punkte über dem derzeitgen Niveau. Der Grund liegt in den seit drei Jahren sinkenden Unternehmensgewinnen. Gewinneinbrüche, Auftragslöcher, Kurzarbeit und Personalabbau bei den Unternehmen lassen die Dividendenhoffnungen weiter sinken. Mit einer Bescherung zu Weihnachten ist daher kaum noch zu rechnen.
Weitgehend unberührt von der miesen Stimmung an den anderen Weltbörsen bleibt dagegen die Wall Street. Dank großzügiger Zinspolitik der US-Regierung konnte sie bislang ein bequemes Eigenleben führen. Der Industrieaktienindex Dow Jones legte im Vergleich zum Vorwochenende noch einmal um 54.84 auf 3.282,20 Punkte zu. Der aus 500 Kursen errechnete Standard- and-Poor's-Index bringt es sogar nahezu täglich auf neue Rekorde. Auch die Programmreden des gewählten US-Präsidenten Bill Clinton wirken sich schon aus. Eine Serie positiver Konjunkturnachrichten und die Erwartung neuer Impulse durch Clintons Programm haben einen regelrechten Endspurt zum Jahresende ausgelöst. Erwin Single
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