piwik no script img

■ Cash & CrashWarten auf die Bundesbank

Die deutsche Aktie liegt wieder mal auf der Couch. Ist sie mental schon wieder am Ende oder macht sie nur eine Verschnaufpause? Die Aktienpsychiater der führenden Wirtschaftszeitungen versuchen, den leichten Kursrückgang des Dax in ihr Weltbild einzuordnen. Das Handelsblatt erleichtert uns mit dem Hinweis, daß die Stimmung auf dem „Frankfurter Parkett“ gut sei und daß „gewisse Rückschläge nach dem Erklimmen eines Dreijahreshochs völlig normal“ seien. Es geht also weiter aufwärts.

Interessant ist die Einschätzung einiger Börsenprofis, die Kursverluste der meisten Standardwerte aus der Automobil- und Chemieindustrie hätten mit Berichten über die schlechte Lage der Unternehmen zu tun. Als ob es MAN oder Hoechst vor vier Wochen so viel besser gegangen wäre, als mit ihren Aktien plötzlich die Post abging. Da wurden selbst Papiere von Firmen wie Kugelfischer nach oben mitgerissen, von denen niemand sagen kann, er hätte nicht gewußt, wie schlimm es um den Laden schon stand.

Aber wie gesagt, es geht weiter aufwärts, was wohl heißt, daß die Berichte über schlechte Lagen schnell vergessen werden. Die Börse sei ein Markt, an dem Zukunftserwartungen gehandelt werden, sagen die Börsengurus, und die seien gut, weil es der Wirtschaft so schlecht geht, daß es nur noch besser werden kann. Aber auch die umgekehrte Erklärung ist auf dem Markt: Gerade weil die Unternehmen die Zukunft wenig rosig sehen, verzichten sie auf Investitionen und legen das Geld in Aktien an. Zwei Fünftel der Aktien werden von Unternehmen gehalten.

Das schöne an diesen Erklärungsversuchen ist, daß sowohl die Wirtschaftsoptimisten wie auch die Pessimisten zum selben Schluß kommen, daß nämlich die Aktien weiter steigen werden. Und das lenkt den Blick auf eine dritte Erklärung: Alle Börsenexperten, die in der Regel so abgefragt werden, sind im Hauptberuf Anlageberater. Sie leben davon, daß möglichst viele Aktien gehandelt werden. Ob Aktien steigen oder nicht, die Banken verdienen immer.

Aber nur wenn die Börse jubiliert, lassen sich Normalsparer zu Aktienkäufen überreden. Zur Zeit klappt das ganz gut, und das ist es auch, was die Kurse nach oben treibt. Der Glaube an die steigende Aktie ist also keine Hexerei. Man muß den Experten nicht einmal Böswilligkeit unterstellen, das Sein bestimmt das Bewußtsein, hat Marx gesagt, allerdings ohne ausdrücklich auf die Börse hinzudeuten.

Natürlich hat das ganze auch mit den Zinsen zu tun. Je höher sie sind, desto mehr Geld bleibt bei den festverzinslichen Papieren liegen. An der Börse wartet man nervös, ob die Bundesbank morgen den Diskontsatz senkt. Wenn nicht, dann könnte die deutsche Aktie ganz schnell depressiv werden. Alois Berger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen