■ Cash & Crash: Von Hausse zu Hausse
Berlin (taz) – Auch 1994 soll das Jahr der Aktie werden. Schon im laufenden Jahr haben die deutschen Aktien höchste Höhen erklommen. Mit über 6 Billionen Mark setzten die hiesigen Börsen fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr um. Gerade weil die Wirtschaft so lahmt, war es um so attraktiver, Geld in die Finanzmärkte fließen zu lassen, statt sie produktiv zu investieren. Liquiditätshausse nennen die Finanzexperten diese Art von Börsenboom mitten in der Krise. Anfang der Woche erreichte der Deutsche Aktienindex mit 2133,31 Punkten wieder einen historischen Höchststand.
Für das kommende Jahr, so meinen manche Auguren, gäben die fundamentalen Unternehmensdaten Anlaß zur Hoffnung. Die Liquiditätshausse könnte demnach von einer gewinnorientierten Hausse abgelöst werden, und zwar vorwiegend bei solchen Aktiengesellschaften, die ihre Kosten drastisch reduzieren – im allgemeinen durch Rationalisierung samt Stellenabbau.
Zig Milliarden Mark haben Sparer noch auf niedrig verzinsten Festgeldkonten herumliegen. Nun hat mit ihren jüngsten Zinssenkungen die Bundesbank auch noch Zeichen gesetzt, daß weiterhin die Zinsen für Anleihen und Spareinlagen niedrig bleiben werden. In der Folge werden immer mehr Anleger auf Aktien umsteigen. Sogar steuerliche Anreize gibt es dafür. So ist zum Beispiel die Kapitalertragsteuer auf Dividenden fünf Prozent niedriger als die Zinsabschlagsteuer auf festverzinsliche Anlagen.
Selbst wenn es nicht zum geringsten Konjunkturaufschwung kommt, so könnten die Aktienkurse also dennoch weiter steigen, allein deswegen, weil die Zinsen weiter sinken, je tiefer die Krise wird. Auch für diesen Fall haben Börsianer einen passenden Begriff: Elendshausse (Hausse de misère).
Wenn es also nächstes Jahr vor allem bei solchen Unternehmen Gewinne zu holen gibt, die aus der Krise das Beste machen, fragt sich nur noch, welche das sind. Antwort: in erster Linie die Banken. Sie verdienen immer – wenn die Wirtschaft gedeiht, durch blühende Kreditgeschäfte. Wenn nicht, verdienen sie vor allem am Börsenboom selbst, zum einen indem sie selbst Aktien erwerben, zum anderen indem sie Provisionen von ihren anlagewilligen Kunden kassieren.
Auch Versicherungen profitieren von der reichlich vorhandenen Liquidität und investieren selbst in Aktien. Dazu kommen dürften Bauunternehmen und Maschinen- und Anlagenbaufirmen, denn diese sind die ersten, die bei auflebender Konjunktur wieder etwas zu tun bekommen. Nicola Liebert
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