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■ Cash & CrashBörse als Waschsalon

Warschau (taz) – Wem Wertpapierkommission und die Leitung der Warschauer Börse ihr Placet geben, der kann sich geadelt fühlen unter Polens Firmen. An der Börse notiert zu sein hebt Prestige und Kreditwürdigkeit, dokumentiert es doch, daß eine Firma nichts zu verheimlichen und nahezu alles in ihrem Prospekt offengelegt hat. Die meisten Firmen bewerben sich, um an frisches Kapital zu kommen. Manchen liegt aber auch nur an eben diesem Persilschein. Sie wollen an der Börse ihren Namen weißwaschen.

Den Anfang machte die „Erste Kommerzbank in Lublin“ schon vor zwei Jahren. Sie war bereits zugelassen, als sich herausstellte, daß ihr Hauptaktionär in den USA steckbrieflich gesucht wurde und sein ganzes Bankenimperium in Lublin auf Krediten gebaut war. Seither ist die Wertpapierkommission in Warschau etwas vorsichtiger geworden. Dubiose Bewerber allerdings auch.

Da gibt es beispielsweise in Bydgoszcz (Bromberg) eine Unternehmensgruppe um den früheren Devisenschwarzhändler Janusz Stajszczak und dessen Familie. Ihr Vermögen machte sie durch massenhafte Alkohol- und Elektronikimporte der Firma Weltinex. Als Finanz- und Zollämter die fälligen Abgaben einforderten, ging Weltinex Pleite, nicht ohne zuvor einen Großteil des Firmenvermögens weiterzugeben – an Firmen mit den gleichen Besitzern. Die gründeten daraufhin die Warschauer „Interbank“, die alsbald an die Börse drängte. In Bydgoszcz erkämpfte sich die Stajszczak-Gruppe die Aktienmehrheit in der „Bromberger Kommunalbank“ – und siehe da, auch die wollte bald darauf an die Börse. Erfolg war beiden Banken damit nicht beschieden – erst schob die Wertpapierkommission die Anträge auf die lange Bank, dann setzte ihnen die Bankenaufsicht wegen Überschuldung einen kommissarischen Vorstand vor die Nase. Da traf es sich ausgezeichnet, daß die Leute um Stajszczak noch eine Firma bei der Hand hatten, die durch solcherlei Skandale noch unbefleckt war: Domar, ebenfalls aus Bydgoszcz. Zur gleichen Zeit, als den beiden Banken die Luft ausging, erhöhte sich das Kapital von Domar plötzlich um umgerechnet acht Millionen Mark, die allesamt der Vater von Janusz Stajszczak einbezahlte. Der Sohn selbst hätte dies auch schwerlich selbst tun können, er wird von der Staatsanwaltschaft Bydgoszcz steckbrieflich wegen seiner Steuerschulden gesucht und liegt offiziell in einem Moskauer Krankenhaus. Inoffiziell betreibt er von dort einen florierenden Handel mit schrottreifen russischen Frachtschiffen. Und wie zu erwarten, möchte nun auch Domar an der Börse zugelassen werden.

So was geht manchmal auch daneben, wie der Fall der Posener „Posnania-Bank“ beweist. Deren Hauptaktionär und Hauptkunde war die Firmengruppe Elektromis, gegen die inzwischen eine ganze Sonderkommission der Staatsanwaltschaft ermittelt. Es bestehe der Verdacht der Gründung einer kriminellen Vereinigung, berichtete die Presse, denn die vielen Ableger des krakenartigen Firmengebildes hätten vor allem einem Zweck gedient: der Steuerhinterziehung à la Weltinex. Als die Presse auch noch hinter die Verbindung zwischen Elektromis und Posnania kam, war er aus, der Traum von der Warschauer Börse: Die Kunden stürmten die Bank, die zog den Börsenprospekt wieder zurück und wechselte den Vorstand aus. Nun warten die Insider gespannt darauf, wer als nächstes versucht, Öffentlichkeit und Börsenaufsicht zu überlisten. Klaus Bachmann

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