■ Cash & Crash: Gleichere Aktionäre
Berlin (taz) – Alle Menschen sind gleich? Nicht vor dem Börsengesetz. Die Eigentümer von Namensaktien der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) beispielsweise sind gleicher als andere. Sie haben das fünffache Stimmrecht gegenüber normalen Aktionären.
Gestern trat in Zürich die außerordentliche Generalversammlung der SBG-Aktionäre zusammen, um über die Abschaffung dieses Privilegs zu entscheiden. Dies hatte der Verwaltungsrat der größten Schweizer Bank gefordert – aber nicht der Gerechtigkeit halber, sondern um die Macht des mißliebigen Großaktionärs Martin Ebner zu brechen, der der SBG seine allein am schnellen Franken orientierte Geschäftspolitik aufzwingen will.
Namensaktien sind Aktien, deren Besitzer in ein Aktienbuch eingetragen werden müssen, so daß einsehbar ist, wem die Firma gehört. Wenn die Eintragung die Zustimmung der Gesellschaft erfordert, spricht man von vinkulierten Namensaktien. In Deutschland sind Namensaktien vor allem bei Versicherungskonzernen üblich, weil hier höhere Vertrauensanforderungen als üblich an die Besitzer gestellt werden. Ähnliche Konstruktionen findet man bei Familienunternehmen. Axel Springers Erben etwa erhielten vinkulierte Namensaktien, damit sie nicht einfach das Familienerbe ohne Wissen und Zustimmung der Firma verscheuern.
In der Schweiz scheint man praktisch die gesamte Volkswirtschaft als eine Art Familienbesitz zu begreifen. Mit Namensaktien sollen Nichtschweizer möglichst ferngehalten werden. Eine Bank, wie zum Beispiel die SBG, kann sich nur dann das angebliche Qualitätssiegel „Schweizerisch“ anheften, wenn sie auch nachweislich von Schweizern beherrscht wird.
Eine Unzahl Schweizer Gesetze zwingt die AGs zur Ungleichbehandlung ihrer Aktionäre. Weil Ausländer nur begrenzt Grundbesitz in der Schweiz erwerben dürfen, müssen alle Immobilienfirmen sicherstellen, daß keine Nichtschweizer die Aktienmehrheit übernehmen. Das Schweizer Luftfahrtgesetz verlangt gar explizit, daß die Swiss Air in Schweizer Händen bleibt. Andernfalls könnte sie ihre Landerechte verlieren.
Weil aber Namensaktien wegen der Meldepflicht von Aktienkäufen und -verkäufen so mühsam zu handeln sind und weil Schweizer trotz allen familiären Zusammenhalts doch geschäftstüchtig sind, wurde 1992 das Aktienrecht revidiert. Jetzt kann jeder vinkulierte Namensaktien erwerben – nur das Stimmrecht erhält er nicht, wenn es die Firma nicht will. Doch vielen internationalen Investoren genügt das nicht. So wird die Schweiz notgedrungen modern. Nicht nur die SBG will Aktienprivilegien abschaffen, auch andere Konzerne wie Nestlé zeigen eine deutliche Tendenz in Richtung Gleichheit aller Besitzenden. Nicola Liebert
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