■ Cash & Crash: Staaten der zweiten Klasse
Berlin (taz) – Hinterher sind wir alle klüger. Nur ist das Geld dann weg. 1926 nahm der Staat Preußen echte Dollars auf dem Finanzmarkt auf. Schon 1933 war diese Investition in die politische Zukunft Deutschlands gescheitert, nach dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 waren die Papiere wertlos. Ausländische Zeichner der preußischen Dollar-Anleihen von 1926 und 1927 sollten sich trotzdem bei der Deutschen Bank Securities Corp. in New York melden. Es kann sein, daß ein Teil ihrer Ansprüche doch noch anerkannt wird. Allzu viele Hoffnungen sollte sich allerdings niemand machen, alles nähere über Sondervereinbarungen mit der Bundesrepublik Deutschland ist bei der Deutschen Bank zu erfahren – wo sonst? Die in diesem Haus üblichen Bearbeitungsgebühren für Anfragen dürften höher liegen als die Auszahlung der historischen Restschuld.
Wer sein Geld behalten will, sollte gewisse Schlüsse aus dem preußischen Flop ziehen. Staaten zahlen nur deswegen auch heute wieder relativ hohe Zinsen, weil ihnen zu Recht niemand über den Weg traut. Vorsicht also bei Staatsanleihen. Wirklich ernsthafte Leute finden ihr Geld weit wertvoller als nationale Werte. Ihnen will die Agentur Standard&Poor in New York zur Seite stehen. Sie prüft jedes Jahr die Kreditwürdigkeit von Leuten, die Geld von anderen Leuten haben wollen. Vernünftigerweise macht Standard&Poor keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen privaten Unternehmen und Staaten. Das Europa-Rating für das vergangene Jahr, das nach der einhelligen Meinung aller Regierungen den Aufschwung brachte, fällt ernüchternd aus. 47 europäische Schuldner sind herabgestuft worden, nur neun wurden höher bewertet als im Krisenjahr 1993.
Die Konkurrenzagentur Moodey's kommt zu ähnlichen Schlüssen. Das Ende der akuten Krise hat die Kreditwürdigkeit der privaten und staatlichen Schuldner weiter verschlechtert. Moody's hat in der letzten Woche das Königreich Schweden um eine Stufe herabgesetzt. Standard&Poor prüft zur Zeit noch, wie kreditwürdig der notorisch vorbildliche Sozialstaat samt seiner Rüstungs- und Papierindustrie tatsächlich ist. Ingvar Carlssons Regierung, die heute ihren Haushalt ins Parlament einbringt, hat umgehend um einen Termin bei Standard&Poor gebeten. Hausieren ist in diesem Fall jedoch zwecklos. Mit unterkühlter Höflichkeit beschied der Londoner Sprecher der Agentur, man werde nach dem Gespräch das Ergebnis der Überprüfung bekanntgeben.
Das schwedische Finanzministerium hat schon vorbeugend reagiert. Es nimmt zur Zeit billige Bankkredite auf, um laufende Rechnungen zu begleichen. Die Großbanken geben sich mit minimalen Geschäftszinsen zufrieden, um ihren Marktanteil zu halten. Das macht die schwedische Art der Zwischenfinanzierung rentabler als die Auflage neuer Staatsanleihen. Denn auf den Weltbörsen können Anleger nur noch mit immer höheren Zinsversprechen dazu gebracht werden, ihr Geld direkt dem Staat zu geben.
Ratings sind realistischer als alle politischen Leitartikel zusammen. Lange bevor Silvio Berlusconi die Regierung in Italien übernahm, hat Moody's das Land in die zweite Kreditklasse heruntergesetzt. Berlusconi kam danach nicht einmal dazu, diesen schlechten Ruf noch weiter zu ruinieren. Für Standard&Poor bleibt Italien die nächsten Jahre in der zweiten Klasse. Mit dem ihr eigenen Blick für echte Werte erkennt die Agentur darin ein Zeichen der Stabilität. Niklaus Hablützel
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