■ Cash & Crash: Septemberkaffee
Berlin (taz) – Manchmal hilft die Drohung eines Kartells eben doch. Auf die ersten Meldungen hin, daß sich die lateinamerikanischen Kaffeeproduzenten am Montag auf gemeinsame Exportbeschränkungen einigen konnten, kletterten an der Londoner Kaffeebörse die Preise wieder auf 2.440 US-Dollar pro Tonne. Am Freitag waren es zeitweilig nur mehr 2.080 Dollar gewesen.
Nur noch 28 Millionen Säcke (zu je 60 Kilo) wollen Brasilien, Kolumbien, Honduras, Costa Rica, El Salvador und Nicaragua bis Juni 1996 noch auf den Weltmarkt werfen, 16 Prozent weniger als bisher. Insgesamt solle das weltweite Angebot auf 60 Millionen Sack verringert werden, ein Drittel weniger als alljährlich verbraucht wird. Dann würden auch die Spekulanten an den Börsen höhere Preise bieten, hoffen die Kaffeeexporteure. Das ist auch nötig: Um 19 Prozent müßten die Preise in die Höhe gehen, um die Mindereinnahmen wegen der geringeren Exportmenge aufzufangen.
Nun wird sich ein Preisanstieg an den Börsen von London und New York nicht gleich in der Haushaltskasse bemerkbar machen. Denn was dort heute gehandelt wird, ist gar nicht der Kaffee, der morgen im Supermarkt angeboten wird. Die Preise, um die es zur Zeit immer geht, drücken nur aus, was Kaffee voraussichtlich im September kosten wird. Spekulanten kaufen und verkaufen auf dem Papier Kaffee, der erst noch geerntet werden muß.
In den letzten Wochen spekulierten die meisten Händler an den Rohstoffbörsen auf Baisse. Das heißt, sie verkaufen billig Kaffee, den sie im September zu liefern versprechen. Erst kurz vor dem vereinbarten Verkaufstermin decken sie sich noch schnell mit dem zu liefernden Kaffee ein, der bis dahin, so hoffen sie, tatsächlich billiger sein wird. Theoretisch soll das System des Terminhandels Lieferanten und Kunden helfen, Schäden durch künftige Preisschwankungen zu vermeiden, indem sie schon vorab Preise vereinbaren. Doch dummerweise nützen Spekulanten das schöne System aus. Sie waren es nun auch, die aus dem Preissturz des Kaffees Gewinne ziehen konnten. Gelackmeiert sind die Produzenten. Abwarten und Kaffee trinken, meinen nun die deutschen Kaffeehäuser wie Tchibo, die ohnehin noch auf reichlichen Vorräten sitzen. Derzeit sei das alles bloß Spekulation, „eine Nullnummer“, sagt der Sprecher des Deutschen Kaffee-Verbandes. Denn 90 bis 95 der Termingeschäfte, die jetzt abgeschlossen werden, werden vor September aufgelöst. Nicola Liebert
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