CDU gegen Sowjet-Ehrenmale: Russische Panzer, deutsche Schande

Wer die russischen Ehrenmale in Berlin jetzt abräumen will, der missbraucht die aktuellen Kriegsverbrechen der Russen, um die Geschichte der eigenen Verbrechen zu relativieren.

Ein sowjetische Panzer steht neben dem Zugang zum Sowjetischen Ehrenmahl in Berlin-Tiergarten Foto: picture alliance/dpa

Von UDO KNAPP

taz FUTURZWEI, 26.04.22 | Erinnerung beschädigen, die eigene Schuld und Verantwortung vor der Geschichte relativieren, Geschichte erst entsorgen und dann umschreiben – das ist ein strategisches Tool populistischer Politik.

Die T34 Panzer am Russischen Ehrenmal unter den Linden sollten entfernt werden, verlangt die Stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Stefanie Bung. Die T34 Panzer seien „Symbole der aggressiven und territoriale Grenzen und Menschenleben missachtenden Kriegsführung des Putin Regimes.“

Tagesspiegel vom 15. April.

33.000 sowjetische Soldaten sind in der letzten Schlacht vor Berlin auf den Seelower Höhen vom 16. bis 18. April 1945 gestorben. Bis zur Einnahme Berlins, dem Hissen der Roten Fahne auf dem Reichstag um den 2. Mai 1945 herum sind noch einmal 80.000 sowjetische Soldaten getötet worden. Im gesamten II. Weltkrieg starben zehn Millionen sowjetische Soldaten. Sie gaben ihr Leben für die Befreiung der Welt vom deutschen Faschismus.

Die sowjetischen Armeen und alle ihre Alliierten brauchten den gemeinsamen Kampf, das Opfer der Leben von Millionen junger Männer und den Einsatz aller vernichtenden Waffensysteme, um Nazi-Deutschland zu stoppen. Bis zum letzten Tag und auch noch im Angesicht der unvermeidbaren Niederlage haben Deutsche fanatisch den Faschismus verteidigt – um dann unter den zunächst marodierenden und vergewaltigenden Siegern leiden zu müssen.

Die Ehrenmale für die gefallenen sowjetischen Soldaten stehen im Berliner Tiergarten, im Treptower Park und in der Schönholzer Heide. Direkt hinter dem Ehrenmal im Tiergarten sind 2.500 und am Ehrenmal in Treptow 7.000 Soldaten beerdigt. Die Ehrenmale demonstrieren in ihrer kommunistisch martialischen Ästhetik eine Verherrlichung von Kampfeswillen, die eigene Überlegenheit. Sie feiern den Sieg über die deutschen Nazis auch als historischen Sieg des sowjetischen Kommunismus über seinen faschistischen Erzfeind.

Die Ehrenmale symbolisieren nicht nur den Sieg über den deutschen Militarismus

Deutlich wird dieser Anspruch auf historische Überlegenheit an der Wahl des Ortes für das Ehrenmal in der Mitte Berlins. Es steht am Ende der Siegesallee, die der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. vom Kemperplatz durch den Tiergarten bis vor den Reichstag führen ließ.

Damit wurde demonstriert, dass auch der preußisch-deutsche Militarismus entgültig besiegt war, der in den I. Weltkrieg geführt und dann dem Faschismus der Nazis den Weg in den II. Weltkrieg geebnet hat. Die T-34 Panzer vor dem Ehrenmal, die ganz entscheidend für den Sieg der sowjetischen Truppen gewesen sind, unterstreichen den Willen der Gewinner, diesen Sieg über den Faschismus nie wieder herzugeben.

Die Ehrenmale erzählen aber auch vom hegemonialen sowjetischen Anspruch auf Befreiung der Welt von Kapitalismus und Imperialismus. Es waren Stalin, die Diktatur seiner kommunistischen Partei und der von ihr geführte vaterländische Krieg, die zum Sieg über die deutsche faschistische Diktatur und Hitler entscheidend beigetragen haben. Die historische Agenda der KPdSU, ihr weltweiter Machtanspruch aber reichte von ihrer Gründung an weit darüber hinaus. Sie beinhaltet die brutale Industrialisierung in den 1920er Jahren, die Kollektivierung der Landwirtschaft mit dem Holodomor in der Ukraine von 1931 bis 1933, die große Säuberung der Partei 1937/38, den Hitler-Stalin-Pakt 1939, die gewalttätige imperialistische Unterdrückung aller Völker der Sowjetunion, die Errichtung sowjetisch bestimmter Zwangsregime in den osteuropäischen Ländern unmittelbar nach dem II. Weltkrieg, die mit den T-34 Panzern niedergeschlagenen Aufstände in der DDR 1953, in Ungarn 1956 und in der Tschechoslowakei 1968 und nicht zuletzt den aggressiv geführten Kalten Krieg gegen den liberaldemokratischen Westen.

Sie erzählen vom Kämpfen und Sterben russischer Soldaten für eine welthistorisch gute Sache

Der Kalte Krieg begann direkt nach Weltkriegsende 1945 und endete erst 1990 mit dem Ende der Sowjetunion. Diese Implosion ihres Weltmachtstatus haben die russischen Nachfolger der KPdSU bis heute nicht verwunden. Sie haben alle Versuche, eine demokratische Gesellschaft im neuen Russland aufzubauen mit Erfolg unterdrückt und ausradiert. Stattdessen haben sie eine kleptokratische, ordinär nationalistische, auch noch atombewaffnete und imperialistische Diktatur einer sich am Verkauf fossiler und anderer Rohstoffe selbstbereichernden Elite aufgebaut.

In diese hochdramatische russische Geschichte der letzten hundert Jahre gehören die Berliner Ehrenmale für die gefallenen sowjetischen Soldaten. Sie erzählen in erster Linie, ganz ungewöhnlich für Diktaturen und mittlerweile auch ungewollt, vom Kämpfen und Sterben ihrer Soldaten für eine welthistorisch gute Sache.

Wie das in der Nähe aufgebaute Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals sind sie schmerzende Zeichen, die die deutschen Verbrechen im Machtzentrum der Bundesrepublik präsent halten. Sie sprechen im öffentlichen Raum von deutscher Schuld, deutscher Verantwortung und deutscher Verpflichtung.

Wer diese Ehrenmale jetzt abräumen will, der missbraucht die aktuellen Kriegsverbrechen der Russen in der Ukraine dazu, die Geschichte der eigenen Verbrechen zu relativieren.

Geschichte und Geschichten gehen nie nur geradeaus. Wer das nicht aushalten will, der riskiert, den klaren Blick für die Gefahren der Gegenwart zu verlieren.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für taz FUTURZWEI.

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