CDU entscheidet sich gegen Ex-Grünen: Bürgermeister schlachtet Metzger
Das war's dann wohl mit Oswald Metzgers Rückkehr in den Bundestag: Die CDU am Bodensee stellt nicht ihn, sondern einen Dorfbürgermeister als Kandidaten auf.
Lothar Riebsamen, Bürgermeister der beschaulichen badischen 3.000-Einwohner-Gemeinde Herdwangen-Schönach, war knapp dreißig Sekunden im Fokus der Medien. Kurz zuvor toste der direkt am Ufer des Bodensees gelegene Kursaal in Überlingen. CDU-Delegierte waren aufgesprungen, schrien, jubelten, lagen sich in den Armen und skandierten "Lothar, Lothar". Im dritten und entscheidenden Wahlgang stimmten 48 Prozent für Metzger, 52 Prozent für seinen Opponenten. Im ersten hatte Metzger von allen zehn Kandidaten noch in Führung gelegen.
Die Veranstaltung hieß "Nominierung Bundestagsmandat Wahlkreis 293 Bodensee". Zwar sind die Wahlkreise neu zugeschnitten worden, aber seit Menschengedenken ziehen hier CDU-Kandidaten per Direktmandat ins Parlament ein. Auslöser der Begeisterung war auch nicht Riebsamen, 50 Jahre, Karriere in der Verwaltung und Vater zweier Söhne. Der Applaus galt der Niederlage Oswald Metzgers, 53 Jahre, aufgewachsen im nahen Bad Schussenried, Karriere bei den Grünen, für die er 1994 bis 2002 im Bundestag saß.
Im März 2008 verkündete Metzger, in die Biberacher CDU ein- und dort als CDU-Kandidat anzutreten. Anfang Juli verlor er die Nominierung gegen einen Bauern knapp, nun in Überlingen noch etwas knapper. Den Unterschied machen knapp 15 der 700 Wahlberechtigten: Wohl gekleidete, meist ältere Herren und weniger Damen, ein paar JUler in Anzügen und kaum einer, der was anderes sagt als: Ja, der Metzger ist natürlich ein repräsentativer Politprofi, aber eben auch ein Selbstdarsteller, der womöglich mehr in Talkshows unterwegs ist, als bei uns im Wahlkreis. "Wer sich mokiert, dass Politiker in den Medien sind, der versteht nicht, wie Politik funktioniert", sagt Metzger in seinem leicht nasalen Schwäbisch.
Der Exgrüne versucht in seiner zehnminütigen Rede den Spagat zwischen Promi und Publikumspreis. Bei Riebsamen sieht das weniger gekonnt aus. Wenn er seine außenpolitischen Vorstellungen darlegt, klingt "Afghanischdan" so, als seien die Taliban ein Trachtenverein vom anderen Seeufer. Dafür wird er konkret, spricht von der Dieselsteuer für die Bauern, will in den Verkehrsausschuss, um den Ausbau der Bundesstraßen 30 und 31 oder die Elektrifizierung der Bodenseebahn voranzutreiben.
Metzger verwendet viel Zeit, sich in der CDU zu verorten: Friedrich Merz, Paul Kirchhof wünscht er sich zurück, Ludwig Erhard kommt ebenfalls zu Ehren und Oskar Lafontaine sein Fett ab, "der Rattenfänger". Eigentlich vergebene Liebesmüh: Dass Metzger finanz- und wirtschaftspolitisch zur CDU passt, glauben sie ihm ohnehin. Doch das Publikum fragt ihn nach seiner Loyalität. "Habe ich meine inhaltlichen Position geändert oder meine Partei? Lesen Sie nach", antwortet Metzger. Doch die Delegierten wollen nicht lesen, sie wollen einen der Ihren. "Ich bin angekommen im Bodenseekreis. Ich will ein Kandidat zum Anfassen sein, der nicht im Fernsehen sitzt", sagt Metzger. Und fügt hinzu: "Also, nicht nur." Das Gelächter im Publikum kommt von der Seite, wo sie nach drei Wahlgängen jubelnd seine Niederlage beklatschen - Selbstentlarvung statt Selbstironie.
Am Ende spricht Metzger von einer bitteren Niederlage, vermutet in dem geteilten Wahlkreis altes Misstrauen gegenüber Württembergern bei den mehrheitlich badischen Delegierten. Mit dem Bundestagsmandat 2009 ist es für Metzger nun vorbei. Vermutlich. "Es geht immer wieder eine Tür auf, hat mein Opa gesagt", sagt Metzger zwischen den Wahlgängen. Baden-Württemberg hat 36 Wahlkreise, rein rechnerisch bleiben ihm also noch 34 Versuche.
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