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CDU-Politiker Fuchs gegen Mindestlohn"Marktgesetze gelten überall"

In tariflich festgelegte Löhne, mögen sie auch noch so niedrig sein, haben sich Politiker nicht einzumischen, meint Michael Fuchs vom CDU-Wirtschaftsflügel.

Von Hungerlöhnen könne in Deutschland keine Rede sein, meint Michael Fuchs. Bild: ap

taz: Herr Fuchs, finden Sie es richtig, dass Menschen in vielen Jobs nur 5 Euro die Stunde verdienen?

Michael Fuchs: Ich finde es gut, dass auch niedrig qualifizierte Menschen einen Job finden, anstatt vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt zu werden. Solche Löhne sind das Ergebnis der Tarifautonomie, die in Deutschland eine besondere Tradition hat. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben sie frei ausgehandelt. Insofern habe ich mich als Politiker nicht einzumischen.

Sie könnten den Leuten mit Mindestlöhnen helfen. Stattdessen drohen Sie mit einer Blockade der Koalitionspläne.

Die Gesetzesentwürfe, die Arbeitsminister Scholz vorgelegt hat, weichen in vielen Punkten von unseren Vorstellungen ab. Im Übrigen auch von den Verabredungen, die die Koalition im Sommer 2007 getroffen hat.

Ein Beispiel?

Ein Mindestlohn darf keine anderen Tarifverträge mit niedrigeren Löhnen aushebeln. Dann überrollt der Größere den Kleineren. Nur der Tarifvertrag mit dem niedrigsten Lohn darf deshalb als Mindestlohn verallgemeinert werden - alles andere wäre ein untragbarer Eingriff in die Tarifautonomie.

Wendet man Ihre Logik im Entsendegesetz an, kann eine rumänische Firma künftig auch in Deutschland auf ihren heimischen Tarifvertrag pochen.

Wie kommen Sie darauf?

Die Firma kann sagen: Der niedrigste Lohn muss gelten - und der Tarifvertrag aus Rumänien beinhaltet günstigere Löhne.

Das ist unwahrscheinlich. Diese Position ist unter Juristen sehr umstritten. Außerdem wird sich dieses Problem mit der Zeit erledigen, weil sich die Löhne in den EU-Ländern angleichen. Die Weinbauern in meiner Heimat Rheinland-Pfalz haben längst Probleme, Erntehelfer zu finden - ob sie nun aus Polen oder aus anderen Ländern kommen.

Ein Wachschützer, der 5,25 Euro verdient, muss also damit klarkommen?

Er hat Anspruch auf Aufstockung aus Hartz IV - das ist besser als ein arbeitsloser Wachschützer. Die Gesetze des Marktes gelten überall: Arbeit erbringt eine bestimmte Leistung, diese hat einen Wert. Nun kann aber Arbeit nicht über ihrem Wert bezahlt werden. Wirtschaftsinstitute bestätigen, dass Mindestlöhne Jobs vernichten. Der Post-Mindestlohn hat 6.000 Stellen gekostet.

Sie vergessen, dass Firmen Löhne drücken - im Vertrauen auf die staatliche Aufstockung.

Noch mal: Den Vertrag des Wachschützers haben Gewerkschaften ausgehandelt. Ich bin auch in Tariffragen für Wettbewerb. Wenn eine christliche Gewerkschaft in Verhandlungen eine Lösung findet, die für ihre Mitglieder und die Arbeitgeber besser ist als eine Lösung mit der DGB-Gewerkschaft - wunderbar!

Diese Sicht verkennt doch, dass Gewerkschaften den Arbeitgeberinteressen in vielen Branchen nichts mehr entgegensetzen können.

Ich bitte Sie: In Rheinland-Pfalz, wo ich herkomme, verdienen ungelernte Arbeiter im Garten- und Landschaftsbau 7,18 Euro die Stunde. Ist das zu wenig?

In anderen Regionen arbeiten gelernte Friseurinnen für weniger als 800 Euro im Monat - Vollzeit …

… richtig, aber auch den Lohn haben Gewerkschafter ausgehandelt. Deswegen halte ich auch ihre Polemiken, in Deutschland würden Hungerlöhne gezahlt, für heillos übertrieben. Hungerlöhne! Mit diesem Begriff habe ich aus ethischen Gründen ein Problem. Keiner muss in Deutschland hungern.

Sind die Friseurinnen aus Ihrer Sicht arm?

Nein. Solche Gehälter sind bei weitem nicht üppig, aber von Armut sind sie weit entfernt.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE

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1 Kommentar

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  • CB
    Christian Borrmann

    Tarifautonomie - Tarifverträge und das in einem Satz mit dem Namen der "Christlichen Gewerkschaft" genannt. Einer Gewerkschaft ohne Mitglieder, welche sich erdreistet für alle Arbeitnehmer einen solchen aushandeln zu dürfen.

    Menschen, welche nicht "arm" genant werden dürfen weil sie ja nicht wie der 3. Welt auf der Strasse um Leib und Leben zittern müssen.

    Schützend die Hand über Unternehmen (Postdienste)haltend, welche lediglich die Situation ausnutzend Gewinne abschöpften und dann als Sie mit dem durchaus vorher erkennbaren Mindestlohn in dem Bereich konfrontiert waren dem Staat die Pistole auf die Brust setzten - jetzt müssen wir aber entlassen.

     

    Komisch nur das Sie die Kleineren im Auge haben wenn es um staatliche Einmischung bei Unternehmen geht. Keine Probleme scheint der Herr dabei zu haben wenn der Größere das Unternehmen und der Kleinere sein Wähler ist.