■ CANNABIS: „Recht auf Rausch“
Lübeck (dpa) — Das Landgericht Lübeck hält Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) für verfassungswidrig. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, den Handel und Konsum mit Cannabis-Produkten zu bestrafen, den von Alkohol jedoch straflos zu lassen, sagte der Vorsitzende Richter am Landgericht, Wolfgang Nescovic, gestern. Der Alkoholmißbrauch mit seinen „individuellen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen“ sei gefährlicher. Außerdem sei ein „Recht auf Rausch“ durch Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) geschützt. Eine Einschränkung sei nur möglich, wenn dies aus Gründen des Allgemeinwohls unerläßlich sei. Das Gericht, so sagte Nescovic, halte die Strafbarkeit von Handlungen, die sich auf Cannabis- Produkte — Haschisch und Marihuana — bezögen, grundsätzlich für verfassungswidrig. Eine Strafkammer habe daher ein Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) einzuholen. Davon seien jährlich rund 10.000 Strafverfahren in Deutschland betroffen. In dem ausgesetzten Fall hatte eine Frau ihrem in U-Haft sitzenden Ehemann 1,12 Gramm Haschisch ins Gefängnis geschmuggelt. Das Amtsgericht Lübeck hatte die vorbestrafte Frau dafür zu zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Landgericht hatte in der Berufung eine Bestrafung der Frau abgelehnt. Die Kammer stellte drei Grundrechtsverstöße im BtMG fest: einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, einen Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und einen Verstoß gegen die Verpflichtung des Staates, seine Bürger in ihrer Gesundheit zu schützen.
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