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Archiv-Artikel

Bus fahren, damit kein Kind ertrinkt

Bildungsbehörde will 6.000 Kinder von 170 Schulen in nur zehn Lehrschwimmbecken unterrichten. Ein Fünftel des gekürzten Etats geht für Fahrtkosten drauf. Und die im Olympia-Wahn eingeführte dritte Sportstunde findet im Bus statt

Von Kaija Kutter

Welches Schulkind muss noch schwimmen lernen? Eine Anfang Januar durchgeführte Umfrage unter Eltern der Zweitklässler hält die Behörde geheim. Wie nun aus einer Senatsdrucksache hervorgeht, die der taz vorliegt, können rund 10.000 Kinder sich nicht über Wasser halten – das sind 70 Prozent des Jahrgangs.

Eine Zahl, die die Kürzung des Schulschwimmetats von 2,6 Millionen Euro auf nur noch 630.000 Euro in Frage stellt. Doch die Planer der Bildungsbehörde haben sich nun ein kompliziertes Modell ausgedacht, um das politische Versprechen, kein Kind ertrinken zu lassen, dennoch einzulösen. Zunächst wird der kostenlose Schwimmunterricht auf „längstens“ ein halbes Jahr beschränkt. 6.000 Kinder sollen dann nicht mehr im öffentlichen Bad, sondern in einem der zehn so genannten Lehrschwimmbecken der Schulbehörde ihre ersten Züge machen, wie sie beispielsweise am Steinadlerweg und Turmweg existieren. Auf die Frage, wo sich die übrigen Becken befinden und wie groß sie sind, hält sich Behördensprecher Alexander Luckow bedeckt: „Die Grundschulen kennen die Größe der Lehrschwimmbecken.“ Standorte könne er nicht nennen.

Laut Drucksache sollen sich 170 der 260 in Frage kommenden Schulen diese zehn Becken teilen, die in der Regel lediglich brusttiefes Wasser haben. Das für das Jugendabzeichen „Bronze“ erforderliche zwei Meter tiefe Tauchen und das Springen vom Einmeterbrett sind somit nicht möglich.

Den übrigen 90 Schulen mit rund 4.000 Schülern ist es weiter gestattet, öffentliche Bäder zu nutzen, sofern kein Lehrschwimmbecken besser erreichbar ist. Dafür werden im Etat 140.000 Euro reserviert. Auch kalkulieren die Planer, dass zu beiden Schwimmorten reichlich Busfahrten nötig sind, die ärmeren Familien erstattet werden. Allein 100.000 Euro werden für Fahrtkosten veranschlagt.

Einmal im Bad angekommen, sollen die Schüler 45 statt bisher 30 Minuten im Wasser bleiben – dafür wird ihnen im Gegenzug die von Ex-Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) im Zeichen der Olympia-Bewerbung Hamburgs hart erkämpfte dritte Sportstunde gestrichen. Die Folge: Statt sich zu bewegen, sitzen die Kinder im Bus.

Kinder, die schon den Freischwimmer haben, dürfen bekanntlich nur noch gegen eine Gebühr von 36 Euro ins Becken, um Schwimmstile oder das Rettungsschwimmen zu lernen. Die Tatsache, dass hier ein offizielles Unterrichtsziel „gebührenpflichtig“ wird, stört angeblich nicht. Eine Änderung der Bildungspläne sei „nicht erforderlich“ heißt es, weil es „immer alternative Sportangebote gibt“.

Die Behörde kalkuliert hier nochmals 20.000 Euro für den Schülertransport und 370.000 Euro als Pauschale an die Bäderland GmbH für Gebührenbefreiungen und andere Kosten.

Damit ist der Mini-Etat von 630.000 Euro aufgebraucht. Und deshalb werden auch die 36-Euro-Kurse auf „längstens ein Schulhalbjahr“ beschränkt. Wer dann noch nicht frei schwimmen kann, hat Pech.