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BunsenbrennerLiebeslinke

■ Intime Geständnisse und Beichten von Lust und Frust

Je rechter, desto doller — auf diesen knalligen Spruch konnte sich die Republik jüngst durch eine 'Playboy‘-Umfrage angespornt, verständigen. In Sachen LiebeLustSex schnitten die Rechten um Spannbreiten besser ab und verwiesen die Linken ein weiteres Mal auf die Auswechselbank. Als Schwerenöter und Laberköpfe verschrien, mußten sich PDSler, SPDler und Grüne sagen lassen, daß sie ohne Softpornos kaum mehr stimuliert werden könnten, sehnlichst einen „erfahrenen Mann“ im Bett wünschten, echt abgeturnt von den ewigen Diskussionen im Bett über MarxEngelsMarcuse.

Elivra Torni (Pseudonym!) zeigt sich also nach unser aufschlußreichen Flirtgeschichte bemüßigt, das ihrige als Linke zur deutsch-deutschen Liebesbeziehung (die andere Vergangenheitsbewältigung) beizutragen und geht mit ihrem Buch Linke lieben anders, erschienen bei Elefanten Press (Berlin), endlich an die Öffentlichkeit. Ihre These: Auch Linke lieben. Sie töten nicht Nerv, sie treten nicht auf den Schlips, sie lieben. Am besten wie es der alte Fromm verlangt: ganzheitlich, undogmatisch, lustbetont. Der Linke kann in seinem moralischen Rigorismus eigentlich nur andere Linke lieben, damit einschlägigen Forschungsergebnissen zufolge, Konflikte durch „übereinstimmendes Wertebewußtsein“ vermieden werden.

Damit aber nicht genug. „Unsere Weltanschauungen müssen schon so gestrickt sein, daß das ganze Universum hineinpaßt. Darunter tun wir's nicht“, stellt Torni fest. Womit wir beim Problem angelangt wären: Der Linke kämpft mit seiner „Supervision“ im Kopf. Zweite These der Elvira Torni also: Linke lieben irgendwie anders. Genauer: verkopfter, hirnrissiger, überspannter. Was er/sie an Revolution auf der Straße verschläft, fällt ihm/ihr abends im Bett ein. Da wird aufeinmal diskutiert, daß das Federbett kracht. Die Bände 24 und 25 Marx-Engels-Werke eignen sich besonders als streitbares Gut in der Diskussion zwischen linken Liebenden. Das Bett bleibt kalt, wenn der Geliebte Unsinn von sich gibt. Harmonie röche nach Anbändelung mit dem Klassenfeind, nein danke. Notwendige Folge: Der echte Linke ist ein Single. Und ziemlich gefrustet. Nicht nachkommensberechtigt. Womit wir wieder beim 'Playboy‘ angekommen wären.

Zwecks glühender Anschauung sind in Linke lieben anders alle Heimlichkeiten von Ernesto Che Guevara, Gregor Gysi, Hermann Kant (der auch?), Petra Kelly, Rosa Luxemburg, Helene Weigel, Jenny Marx, Michail Bakunin, Michel Foucault, Rainer Langhans und Otto Schily ausgebreitet, gepaart mit einigen Protokollen aus dem Arbeiter- und Bauernstaat. Und die Moral von der Geschicht: Linke lieben nicht anders, sondern allenfalls linke Intellektuelle. Intellektuelle wiederum lieben in der Regel überhaupt nicht. Und Liebe gibt es noch seltener als Intellektuelle. Mirjam Schaub

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