■ Bundestagspräsidentin Süssmuth in schlechter Gesellschaft: Die braune Aura der Rita S.
München (taz) – Der Münchner Aquamarin-Verlag, seit gut fünfzehn Jahren bekannt für sein Sortiment an new-age-esoterischer und neo-okkulter Literatur, brachte unlängst ein Büchlein heraus, in dem unter dem Titel „Brücken von Herz zu Herz“ eine Handvoll mehr oder minder prominenter ZeitgenossInnen sich zu den drängenden Fragen der Gegenwart ausließ. Neben spirituellen Pleonasten wie Pir Vilayat Khan, Raimon Pannikar oder Bede Griffith meldet sich in dem Buch auch Rita Süssmuth zu Wort, um im „Dialog von Herz zu Herz“ mit Verlagsleiter Peter Michel die „tiefe Menschlichkeit hinter ihrem Amt offenbar werden zu lassen“ (Klappentext).
Nun ist es Frau Professor Süssmuth natürlich völlig unbenommen, sich zu jedem ihr genehmen Thema zu äußern und dabei Dünnbrett zu bohren, soviel und so lange sie mag. Nicht unbenommen ist es ihr aber, wenn sie als Bundestagspräsidentin damit einen Verlag hoffähig macht, der seiner ausgewiesen „rassistischen Aura“ wegen seit Jahren heftig kritisiert wird.
Nebem dem einschlägigen New Age-Unfug über Astrologie, Bachblüten- und Edelsteintherapie, über Geistwesen aus höheren Sphären, Reinkarnation und das Leben nach dem Tod, verlegt Michel auch und insbesondere die Machwerke eines Charles W. Leadbeater (1847–1934), der um die Jahrhundertwende mit seinen theosophischen Schriften eine gewissermaßen „übergeordnete“ Rechtfertigung lieferte für die Ausbeutung und Vernichtung der Völker der Dritten und Vierten Welt und heute als „Klassiker der Esoterik“ gefeiert wird. Leadbeater erklärt das Aussterben der Naturvölker zur „karmischen Unvermeidbarkeit“, da wir, die germanisch-nordische Rasse, als höher entwickelte Seelen bereits über diese hinweggeschritten sind“. Auch der Holocaust wird in Esoterik-Zirkeln auf diese Weise gerechtfertigt.
Daneben verlegt Michel auch die unverhüllt rassistischen Elaborate von „Geistchrist Willigis“ oder das faschistoide Machwerk von Gisela Weigl und Franz Wendel, die Dunkelhäutigkeit mit „geistiger Schwerfälligkeit“ ineinssetzen. Dazu die ultrareaktionären Botschaften eines „White Eagle“, die angeblich auf medialem Wege aus dem Jenseits empfangen werden. Nicht zu vergessen die unsäglichen Ergüsse einer Flower Newhouse oder, besonders umfänglich, seine eigenen, mit Titeln wie „Karma und Gnade“ oder „Botschafter des Lichtes“.
Die Kritik an der „braunen Aura“ seines Verlages löste bei Michel neben einem Rundumschlag gegen „entstellenden Journalismus“ bislang nur „Schmunzeln“ aus. So fand er auch nichts dabei, etwa an der esoterischen Sperenzchen-Show „phantastische Phänomene“ des Rainer Holbe mitzuwirken. Holbe, Sprachrohr der rechten Esoterik-Szene, war 1990 seiner antisemitischen Ausfälle wegen von RTL-plus fristlos gekündigt worden. Auch an der rechtslastigen Brüllshow des Axel Thorer („A.T.“) nahm er gerne teil, die heftiger Publikumsschelte wegen nach nur drei Folgen aus dem Programm gekippt worden war; er rühmt sich heute noch dieses Auftritts.
Zugunsten von Frau Süssmuth muß angenommen werden, daß sie nicht wußte, in wessen Gesellschaft sie sich da begab; ebenso wenig Eugen Drewermann und Václav Havel, die auch im Herz-zu- Herz-Panoptikum des Peter Michel auftreten.
Die Aufforderung an Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, sich von dem neo-okkulten Unfug und vor allem von den unverhohlenen Rassismen im Programm des Aquamarin-Verlages zu distanzieren, blieb bis heute unbeantwortet. Colin Goldner
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