Bundesregierung weitet Kompetenzen der Geheimdienste zu weit aus : Eine neue BND-Affäre
So war das nicht gedacht. Als der damalige Innenminister Otto Schily nach den Anschlägen vom 11. September 2001 seine „Sicherheitspakete“ durchs Parlament peitschte, hieß es, nach Ablauf von fünf Jahren würden die neuen Restriktionen auf ihre Wirksamkeit überprüft – und, so klang es wenigstens, im Zweifel wieder abgeschafft. Jetzt ist die Frist verstrichen, und das Publikum reibt sich verwundert die Augen: Statt die Kompetenzen für die Geheimdienste, in einer überschießenden Reaktion auf den ersten Terrorschock erlassen, wenigstens teilweise wieder abzuschaffen, sollen sie nun sogar erweitert werden.
Ausgerechnet der Auslandsgeheimdienst BND, dessen Verfehlungen im so genannten Antiterrorkampf derzeit Thema eines Untersuchungsausschusses sind, soll nun auf die Daten von Airlines und Banken, Telekom und Post zugreifen können. Das können auch die schwarz-roten Koalitionäre nicht als zufälliges Zusammentreffen abtun. Mit dem neuen „Ergänzungsgesetz“ zur Terrorbekämpfung setzen sie sich über alle Erkenntnisse hinweg, die in der BND-Affäre bislang ans Licht kamen. Alle Bedenken in Bezug auf mangelnde Transparenz und Kontrolle geheimdienstlicher Arbeit haben sich dadurch voll bestätigt. Dabei hat die Abkehr von rechtsstaatlichen Prinzipien dem Schutz deutscher Staatsbürger nicht gedient, sondern im Gegenteil gerade geschadet.
Während sich die Öffentlichkeit gerade über die missratene Gesundheitsreform erregt, zeigt die neuerliche BND-Affäre, wo die wirklichen Gefahren einer großen Koalition liegen. Auf sozialpolitischem Gebiet mögen Union und SPD zwar manchen Murks produzieren, aber es ist immerhin nur Murks. Für die Bürgerrechte dagegen interessieren sich die beiden großen Volksparteien mehrheitlich überhaupt nicht, wie sich schon bei der Verabschiedung der Notstandsgesetze durch die erste große Koalition 1968 zeigte. Das Thema war immer eine Domäne der bürgerlichen Kleinparteien, die nun zum zweiten Mal in der Nachkriegsgeschichte nicht mehr an der Regierung beteiligt sind.
RALPH BOLLMANN