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Bundespressekonferenz beliebt zu twittern"Muss ich das jetzt abonnieren?"

Twittern diese Typen von der Bundespressekonferenz einfach Termine der Bundeskanzlerin. Wofür braucht man denn dann noch Journalisten?

15 Minuten lang diskutieren die Hauptstadtjournalisten mit dem stellvertretenden Regierungssprecher über Twitter als Medium der Regierungskommunikation. Bild: screenshot vimeo

Es ist schon ein Kreuz mit dem Journalismus. Ständig muss man auf dem neuesten Stand bleiben. So hab ich mir das ja nicht vorgestellt. Wozu sitz ich eigentlich hier in diesen Pressekonferenzen? Wozu tue ich mir eigentlich diese ganzen Scheiß an, diese völlig überflüssigen, kleinkarierten Fragen von den Kollegen über Zeug, das doch eh schon längst klar ist.

Früher, da hat man hier immerhin noch Exklusives gehört. Das haben dann die Agenturtanten und -onkels aufgeschrieben, und man konnte das brühwarm in den Setzkasten diktieren. Das war noch Journalismus!

Und jetzt? Dieser Seibert. Macht der da einen auf tough young guy. Vielleicht, weil dem auch die Haare ausfallen. Genauso wie diesem Steegmanns, dem Stellvertreter, der da vorne auf dem Podium sitzt und wieder so gelangweilt guckt. Twittern die einfach Termine der Bundeskanzlerin. Gesprächstermine mit dem Herrn Obama. Ich meine, nicht, dass wir daraus jetzt ne Headline gestrickt hätten, so spektakulär ist das ja auch nicht. Aber ne Meldung wär das schon gewesen.

Wozu sitz ich hier eigentlich auf diesen ergonomisch völlig inakzeptablen Stühlen, wenn eh schon die ganze Welt weiß, was ich als Meldung raushauen will! Das steht dann da in diesem Twitter, und jeder kann es lesen, das ist ja einerseits gut, andererseits steht mein Name nicht drunter. Und ich krieg kein Geld dafür. Wofür braucht man mich denn dann eigentlich noch? Ich meine, ist meine Sicherheit da überhaupt noch gewährleistet in diesem Fall?

Wer da alles twittert

Ich frag das mal, weil ich hab das mal recherchiert. Auf Twitter, da steht doch der letzte Scheiß. Haben die Kollegen aus dem Feuilleton doch schon vor drei Jahren geschrieben. Warum ist das denn nicht schon früher weggegangen? Das geht aber bestimmt wieder weg. Das ist doch alles Befindlichkeitsmist und dämliche Kalauer, die man von Fips Asmussen schon viel besser gehört hat. Damals, als es noch Tonträger gab. Ach, das war gar nicht so übel, damals.

Aber jetzt nicht abschweifen. Ich hab das ja mal recherchiert mit diesem Twitter: das ist ja nicht sicher. Da gibt's ja zahlreiche Fälschungen, zum Beispiel Justin Bieber: der behauptet auch, Musiker zu sein in seinem Account. Der Dalai Lama twittert Kalenderblattsprüche, sehr verdächtig. Sogar der Führer twittert, nicht mal unter seinem richtigen Namen, dabei ist der doch schon tot, sagt man. Aber vielleicht wollte uns das die Bundesregierung ja auch verschweigen, dass der gar nicht tot ist, und macht das jetzt über dieses Twitter publik. Das kann ja durchaus Folgen haben, sag ich! Das muss der doch verstehen.

Wie der Steegmanns wieder guckt bei meiner Frage, ob das auch bestimmt sicher sei. Ich hab das doch recherchiert, dass da einiges nicht stimmt mit diesem Twitter. Da liegt doch die Axt im Wald begraben, direkt neben der Tanne! Aber der Steegmanns, der hört ja kaum zu hier, der schreibt doch bestimmt schon innerlich an seinem nächsten Tweet. "Wie werde ich ihn los in 140 Zeichen"? Ja, das hat er sich so gedacht! Aber nicht mit mir! Ich bin da knallhart investigativ! Alte Schule, das kennt der gar nicht! Dazu ist der noch viel zu jung, der hat ja noch Haare auf dem Kopf!

140 Zeichen

Ich glaube, mir ist nicht gut. Ich muss mal wieder einen Leitartikel schreiben, irgendwas Emotionales. Irgendwo muss man ja hin mit seiner ganzen Wut. Ich weiß noch nicht, irgendein Thema über neue Medien, das immer geht. "Neue Medien". Aber: provokativ. Und: lehrreich. Aber auch: überraschend. Und: das darf nicht auf 140 Zeichen passen. Niemals! Viertausend Zeichen müssen das schon werden, sonst lohnt sich der Aufwand finanziell ja gar nicht.

Aber mal überlegen. Irgendein Thema, das mir erlaubt, morgen meinen Internetanschluss zu kündigen, wenn das Konsens wird. Zum Beispiel Rente mit 45. Ja, das wär was. Für mich vor allem.

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11 Kommentare

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  • B
    BerlinerIn

    Herr Valin, großartiger Artikel!

    Genauso ein Bild hatte ich im Kopf während ich die PK sah!

     

    Allerdings sah ich sie auch schon am Freitag, live. Bis die taz mit nem Artikel zum Thema aufwarten konnte, ist es mir schon in drei Blogs begegnet.

    Da sind die Nicht-Hauptstadtjournalisten wohl schneller.

  • DJ
    der Jens

    Schade nur, dass selbst in der Hauptstadt arbeitende Journalisten nicht die Bundespressekonferenz vom Bundespresseamt unterscheiden können...

  • C
    Cloud

    Schon seltsam, wie Autor Frédéric Valin seinen eigenen Berufsstand in den Dreck zieht und nur Verallgemeinerungen von sich gibt. Genauso wie es unter Müllmännern unfähige Tonnenschubser gibt und auch viele Wissenschaftler und BWL-ler auf altes Wissen zurückgreifen, gibt es genausoviele Fähige oder Unfähige auch unter den Journalisten.

     

    Einfach alle Journalisten als ewig gestrige Trottel zu diffamieren, die allesamt keinen Computer benutzen können und zu blöd sind, das Internet zu kapieren ist sehr billig! Aber vielleicht sieht sich Herr Valin ja selber außen vor und selber nicht als Journalist?

     

    Oder Herr Valin wollte sich mit seinem Artikel nur bei den vielen 15-jährigen Möchtegern-Bloggern einschleimen, die sich einbilden, weil sie in der Hauptschule eine 3 in Deutsch und so viel Lebenserfahrung in PS3-Spielen haben, wüssten sie alles besser und wären die wahren Qualitätsjournalisten, die mit krass recherchierten Sensationsmeldungen wie "Hey Leute, Breaking News: Duke Nukem Forever verschiebt sich" die Zukunft des echten Qualitätsjournalismus sind?

  • EM
    El Magico

    Öhmm...

     

    Ja

     

    Und jetzt?

     

    Leistungsschutzrecht auf Tweets?

     

    Next!

  • U
    Ulli

    Hehe...

     

    sehr schön. Zeigt auch schön, dass nicht nur einige Politiker eine gewisse Medienkompetenz abgeht, sondern auch so manchem Redakteur alter Schule. ;)

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Klar, wir brauchen jetzt niemanden mehr, der die Nachrichten von der Regierung zu uns trägt. Wir brauchen aber jemanden, der für uns rausfindet, was (für uns) wirklich wichtig ist. Wenn nämlich erst jede Westerwelle twittert, spült uns sonst schnell die Laberflut weg.

     

    Wir brauchen Filter.

  • PD
    Peter Dohm

    Der TAZ-Text trifft es auf den Punkt. Wie kann sich eine Regierung bloß erdreisten, ihre Bürger unter Umgehung der journalistischen Nomenklatura direkt anzusprechen.

     

    Im ernst: man kann nur hoffen, dass sich zumindest die Chefredakteuren der Fragesteller schämen. Noch ein Grund mehr, nur noch Neue Medien zu konsumieren !

  • SB
    St. Beryl

    Und? Fazit? Läuft alles nicht mehr so wie zu Kaisers Zeiten und das ist schrecklich. Oder was?

     

    Zum Umgang mit Wut könnte der Autor sich sicher konstruktiven Rat bei der notorisch wütenden Kollegin Seeliger holen.

     

    Leitartikel schreiben? Hohn und Spott der Online-Kommentatoren-Gemeinde ertragen (oh, dieses böse Internet! Auch das noch! Da können die ganzen doofen Trolle so einfach rumpöbeln! Noch nicht mal die Mühe, einen wohlformulierten Leserbrief zu verfassen und abzuschicken muss der Mob sich heutzutage machen!)? Darauf wütend reagieren, zurückblaffen? Daraufhin weitere äußerst gemeine Leserbeiträge um die Ohren gehauen kriegen? Noch wütender werden? Und so weiter und so fort…. Ach und Krach, welch fataler Teufelskreis.

     

    Aber vielleicht rät Ihnen die geschätzte Kollegin (und ich ebenfalls) auch Folgendes: Wenn’s gar nicht mehr geht – Tütchen rauchen hilft immer.

     

    In diesem Sinne!

  • G
    Gravitas

    Hehe da hat doch jemand Angst das ihm die Felle davonschwimmen^^. Sehr lustiger Beitrag!

    Erinnert mich an meine Arbeitskollegen älteren Semesters, die sich vehement gegen neue Arbeitsweisen zu wehren versuchen.

  • S
    Stefan

    Danke für diesen Artikel, ich habe herzlich gelacht.

     

    Man wird das Gefühl nicht los, dass sich - wie alte Ehepaare - Politiker und Hauptstadtjournalisten sich immer mehr ähneln.

     

    Twitter, Facebook und dieses pöse Internet überhaupt - alles Teufelszeug und Zerstörer von dicken Hintern, die sich doch sooo schön festgesessen haben an ihrem Platz.

  • L
    leser

    Da fällt mir echt nicht viel mehr ein als: hä???

     

    Soll das lustig sein? Intelligent? Oder gar der viel beschworene "Qualitätsjournalismus"?