Bundeskriminalamt-Präsident über Reform: "Das BKA wird kein Geheimdienst"
Bundeskriminalamt-Präsident Ziercke weist Vorwürfe von Bürgerrechtlern gegen die im Kabinett beschlossene BKA-Reform zurück. Sie sei weniger spektakulär als manche glauben.
taz: Herr Ziercke, zum ersten Mal soll das BKA nicht nur Terror-Akte aufklären, sondern sie verhüten. Wird das BKA bald wie ein Geheimdienst arbeiten?
JÖRG ZIERCKE, 60, ist seit 2004 Präsident des Bundeskriminalamtes. Der Sozialdemokrat ist seit Ende der 60er-Jahre Kriminalbeamter. Ab 1995 war er Abteilungsleiter für Polizeifragen im Innenministerium von Schleswig-Holstein.
Ungeachtet anhaltender Kritik aus der SPD hat das Bundeskabinett das Gesetz zur Ausweitung der BKA-Kompetenzen im Kampf gegen den Terror beschlossen. Nach jahrelangem Streit stimmte die Ministerrunde am Mittwoch für die Novelle, die unter anderem die Videoüberwachung von Wohnungen und die Onlinedurchsuchung privater Computer zu Fahndungszwecken ermöglichen soll.
"Das ist ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland", sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der Entwurf entspreche "allen verfassungsrechtlichen Bestimmungen". Der SPD-Politiker Sebastian Edathy sagte dagegen im "ZDF-Morgenmagazin", im weiteren parlamentarischen Verfahren müsse sichergestellt werden, dass "kein Schnüffelstaat" entstehe. Zu seinen Änderungswünschen zählt die Befristung der Onlinedurchsuchung auf vier bis fünf Jahre. Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sprach von einem schwarzen Tag für die Bürgerrechte und forderte die SPD-Fraktion auf, das Gesetz zu stoppen. "Die Amerikanisierung der deutschen Sicherheitspolitik - wie sie Schäuble seit ehedem will - wird fortgesetzt", kritisierte er.
Jörg Ziercke: Das ist eine völlig abwegige Vorstellung.
Die Grünen und die Linke befürchten aber genau das. Die Kritiker verweisen auf die vielen geheimen Ermittlungsbefugnisse, die das BKA jetzt bekommen soll...
Die Polizei nutzt schon lange verdeckte Ermittlungsmaßnahmen, von der Observation eines Verdächtigen bis zur Telefonüberwachung. Dadurch wird sie doch nicht zu einem Geheimdienst.
Was macht den Unterschied aus zwischen einer geheim agierenden Polizei und einem Geheimdienst wie dem Verfassungsschutz?
Der Verfassungsschutz ermittelt weit im Vorfeld konkreter Gefahren. Er beobachtet bestimmte Szenen, er will wissen, wie zum Beispiel potenzielle Terroristen denken, wen sie kennen und was daraus entstehen könnte. Er darf aber nur Informationen sammeln, also keine Wohnung durchsuchen und niemand verhaften. Das darf nur die Polizei. Immer wenn der Verfassungsschutz eine sich zuspitzende Gefahr feststellt, muss er die Polizei einschalten.
Wird sich das BKA nicht auch weit im Vorfeld konkreter Anschlagspläne tummeln, um bloß nichts zu verpassen?
Nein. Die Vorfeldermittlung ist nicht unsere Aufgabe. Das macht der Verfassungsschutz und bei dieser Abgrenzung bleibt es. Auch die Landespolizeien, die bisher allein für die polizeiliche Gefahrenabwehr zuständig sind, haben diese Arbeitsteilung beachtet.
Nach den Festnahmen von drei Islamisten im Sauerland kritisierte das BKA, dass der Verfassungsschutz teilweise nur "sehr zurückhaltend und lückenhaft" informiert habe. Manche glauben, dass das BKA deshalb gerne selbst im Vorfeld aktiv werden will.
Nein. Wir arbeiten mit dem Verfassungsschutz vertrauensvoll zusammen. Wenn er Hinweise von ausländischen Nachrichtendiensten erhält, kann er darüber aus Gründen des Quellenschutzes oft nicht offen sprechen. Das akzeptieren wir. Aber wenn sich eine Gefahr zuspitzt, muss die Polizei alle notwendigen Informationen bekommen.
Das BKA hat rund 5600 Beschäftigte. Wieviele davon sind derzeit gegen den Terrorismus im Einsatz?
Knapp zweihundert in der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz. Anlassbezogen kommen noch Beamte des Mobilen Einsatzkommandos in Meckenheim bei Bonn dazu [das MEK besteht aus rund 120 Polizisten und ist hauptsächlich mit verdeckten Observationen beschäftigt, Anm. d Red.]
Und wie groß wird die neue Terrorpräventions-Abteilung?
Die wird es nicht geben. Die gleichen Personen übernehmen die präventive Abwehr und die repressive Bekämpfung von Straftaten. So ist das bei den Landespolizeien übrigens auch.
Sie bekommen also nach der BKA-Reform kein zusätzliches Personal?
Wir verhandeln derzeit mit dem Innenminister über eine moderate Erhöhung. Aber die hätten wir ohnehin gebraucht, weil die Terrorverdächtigen immer konspirativer vorgehen und Überwachungsmaßnahmen deshalb immer aufwändiger werden.
Wieviele Gefährder aus dem Bereich des internationalen Terrorismus sind der Polizei bekannt?
Wir haben eine hohe zweistellige Zahl an Personen als so genannte Gefährder erfasst.
Von wem werden diese überwacht?
Von den Landesämtern für Verfassungsschutz und den Landeskriminalämtern - das wird auch ganz sicher so bleiben. Das BKA hätte im Übrigen auch nicht genug Personal dafür.
Die geplante Neuregelung des BKA-Gesetzes sieht aber durchaus vor, dass Sie die Gefahrenabwehr in konkreten Fällen von den Ländern übernehmen können...
Ja, aber das wird sicher die Ausnahme bleiben.
Warum war es Ihnen dann überhaupt so wichtig, dass das BKA präventive Befugnisse bekommt?
Uns geht es vor allem um die Abklärung von Hinweisen aus dem Ausland auf möglicherweise in Deutschland drohende Anschläge. Solche Hinweise von ausländischen Polizeien landen routinemäßig beim BKA, weil wir die kriminalpolizeiliche Zentralstelle für Deutschland sind. Da wir bisher aber nicht für die Gefahrenabwehr zuständig sind, müssen wir immer erst eine Landespolizei finden, die den Sachverhalt und die gegegebenenfalls benannten Personen überprüft. Oftmals ist nicht einmal klar, welches Land überhaupt betroffen ist.
Das BKA will Hinweisen aus dem Ausland also künftig selbst nachgehen können?
Ja. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil wir später oft doch wieder zuständig werden, wenn sich bei der Überprüfung herausstellt, dass die Grenze zur Strafbarkeit schon überschritten ist. Dann zieht nämlich die Bundesanwaltschaft den Fall an sich und beauftragt das BKA mit den Ermittlungen. Es leuchtet wohl jedem ein, dass so ein Hin und Her nicht sinnvoll ist, vor allem wenn es um die Verhütung von Terroranschlägen geht und deshalb keine Zeit zu verlieren ist.
Das ist also der Kern der BKA-Reform?
Ja. Das Ganze ist weniger spektakulär als manche glauben. Nach unseren bisherigen Erfahrungen gehe ich davon aus, dass wir pro Jahr im Schnitt etwa fünf einsatzintensive, besonders gefahrenträchtige Hinweise bekommen.
Das BKA bekommt aber viele neue Befugnisse dafür...
Die meisten Befugnisse - von der Rasterfahndung bis zur Wohnraumüberwachung - sind aus dem Strafprozess bekannt. Die hatte das BKA auch schon zur Aufklärung von Terrordelikten. Nur die Landeskriminalämter durften mit diesen Befugnissen bisher schon Anschläge präventiv abwehren. Wirklich neu für die deutsche Polizei ist nur die präventive Online-Durchsuchung von Computern.
Wie viele Computer werden Sie künftig pro Jahr heimlich ausspähen lassen?
Ich schätze, dass es pro Jahr wohl nur zu circa zehn Online-Durchsuchungen kommen wird - ganz gezielt gegen Terrorverdächtige, die sich in Netzwerken organisieren, nicht gegen unbescholtene Bürger.
Wer kontrolliert das BKA bei der Gefahrenabwehr?
Besonders grundrechtsrelevante Maßnahmen, wie eine Telefonüberwachung oder eine Online-Durchsuchung, müssen in jedem Einzelfall vom Richter genehmigt werden. Außerdem kann uns der Bundesbeauftragte für den Datenschutz jederzeit unangemeldet kontrollieren.
Wenn das BKA Straftaten aufklärt, steht es unter Leitung der Bundesanwaltschaft. Bei der Abwehr von Gefahren hat Ihnen Generalbundesanwältin Monika Harms dagegen nichts zu sagen. Freuen Sie sich auf die neue Freiheit?
Das BKA hat nicht die Absicht, sich der Sachleitung durch die Bundesanwaltschaft zu entziehen. Wie schon bisher werden wir ihr auch künftig über Terrorhinweise berichten. So kann sie selbst prüfen, ob ein Anfangsverdacht auf eine Straftat vorliegt, der ihre Zuständigkeit begründet.
Justizministerin Zypries will bald terroristische Vorbereitungshandlungen wie den Besuch in einem Terror-Ausbildungslager unter Strafe stellen. Braucht das BKA da überhaupt noch präventive Befugnisse?
Ja. Es wird auch künftig verdächtige Verhaltensweisen geben, die nicht strafbar sind, zum Beispiel das Ausspähen eines potenziellen Anschlagsziels oder das Beschaffen konspirativer Wohnungen.
Die Online-Durchsuchung steht dem BKA nur bei der Gefahrenabwehr zur Verfügung. Ist die Prävention für Sie deshalb bald attraktiver als ein Ermittlungsverfahren?
Wir werden ganz sicher keine Verfahren manipulieren, um bestimmte Ermittlungsmaßnahmen nutzen zu können. Das ließe uns ein Richter auch nicht durchgehen. Ich fände es allerdings konsequent und wünschenswert, wenn die Online-Durchsuchung auch in der Strafprozessordnung erlaubt würde.
INTERVIEW CHRISTIAN RATH
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