Bürgerkrieg in Syrien: Rückzug der Rebellen in Aleppo
Die Regierungstruppen sind auf dem Vormarsch. Und Iran räumt ein, dass unter den Geiseln der Rebellen ehemalige Soldaten der iranischen Revolutionsgarden sind.
ALEPPO rtr | Im Kampf um die syrische Wirtschaftsmetropole Aleppo sind die Aufständischen auf dem Rückzug. Die Rebellen mussten am Mittwoch Stellungen in einem strategisch wichtigen Viertel aufgeben. „Wir haben uns zurückgezogen, weg hier“, rief ein Kämpfer Reportern im Bezirk Salaheddin zu, der als Einfallstor in die Millionenstadt gilt. Mehrere Kontrollposten der Kämpfer gegen Staatschef Baschar al-Assad waren aufgelöst.
Das syrische Staatsfernsehen berichtete, die Regierungstruppen hätten Salaheddin gestürmt, die meisten Rebellen dort getötet und seien in einer neuen Offensive auch in andere Teile der Stadt vorgedrungen.
Dieser Darstellung zufolge wurden in den Distrikten Bab al-Hadid nahe der Zitadelle und Bab al-Nariab im Südosten Dutzende „Terroristen“ getötet. Es handelte sich offenbar um die größte Offensive der Regierungstruppen, seit die Rebellen vor drei Wochen Teile Aleppos unter ihre Kontrolle gebracht hatten.
Die Aufständischen hätten sich in das Viertel Saif al-Daula zurückgezogen, sagte ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee. Die Gegend liege unter Beschuss durch Kampfjets und die Panzer der Regierungstruppen. Andere Rebellen dagegen bestritten Berichte über einen Rückzug.
Bombardements und Scharfschützen
Abu Firas von der Freien Syrischen Armee erklärte, die Rebellen hätten nur ein einziges Gebäude in Salaheddin aufgegeben und seien nicht auf dem Rückzug. „Wir haben uns nicht zurückgezogen“, betonte er. „Unsere Jungs sind immer noch da, und die Lage schaut gut für uns aus.“
Die Rebellen hatten zuletzt Nachschubprobleme und kaum noch Munition, während die Soldaten das Viertel im Süden Aleppos einkesselten. Assad verstärkte die Truppen dort, nachdem die Armee die Kämpfer bereits aus einem Großteil der Hauptstadt Damaskus vertrieben hatte.
In einigen Straßenzügen von Salaheddin zogen Panzer auf. Unter dem Schutz massiver Bombardements gingen Scharfschützen auf Hausdächern in Stellung. Ihre Präsenz schränkt die Bewegungsfreiheit der Rebellen stark ein.
Unterdessen räumte die Islamische Republik erstmals ein, dass unter den mehr als 40 iranischen Geiseln in Syrien auch ehemalige Soldaten und Mitglieder der Revolutionsgarden sind. Nach Darstellung der Regierung in Teheran hätten die Gefangenen allerdings keine Verbindung mehr zum Militär und seien nur für eine Pilgerreise in Damaskus gewesen, berichteten iranische Medien unter Berufung auf Außenminister Ali Akbar Salehi.
Russland dementiert Tötung eines Generals
Auf der Liste der Pilger seien auch pensionierte Beamte, darunter der Revolutionsgarden und der Armee gewesen. Syrische Rebellen hatten die Iraner vor einigen Tagen gefangen genommen. Sie verdächtigen die Führung in Teheran, sie als Kämpfer eingeschleust zu haben, um den Verbündeten Assad an der Macht zu halten.
Die Regierung in Moskau wies am Mittwoch Berichte über die Tötung eines russischen Generals in Syrien zurück. General Wladimir Kuschejew sei am Leben und in Moskau im Verteidigungsministerium mit Journalisten zusammengekommen, meldeten russische Nachrichtenagenturen.
Die Agentur Itar-Tass zitierte Kuschejew mit den Worten: „Ich kann bestätigen, dass ich am Leben bin und es mir gut geht.“ Eine syrische Rebellengruppe hatte zuvor erklärt, sie habe Kuschejew in einem Viertel am Rande von Damaskus getötet. Die Gruppierung hatte sich im Juli zur Tötung von vier hochrangigen syrischen Militärs bekannt.
Russland unterhält in Syrien einen Marinestützpunkt in Tartus an der Mittelmeerküste und hat mehrere hundert Soldaten im Land stationiert. Das Land ist einer der wichtigsten Verbündeten und Waffenlieferanten Syriens.
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