■ Bündnisgrüne haben keine Wahl: Demokratieverbot
Die Berliner Sozialdemokraten haben am vergangenen Wochenende die Nominierung der Bundestagskandidaten hinter sich gebracht. Wer gedacht hätte, die vom Landesvorstand festgezurrte Landesliste würde problemlos durchgewählt, wurde überrascht. Die Linken, die sichere Mehrheiten hinter sich glaubten, mußten einige Schlappen für ihre Kandidaten hinnehmen. Das mag für die Parteilinke schmerzlich sein, für die Partei kann es nur gut sein, wenn die Regie der Parteiführung durcheinandergewirbelt wird. Zeigt sich doch in allen Parteien am nachdrücklichsten bei der Kandidatenkür, wie weit man von demokratischen Mindestanforderungen entfernt ist. Von Transparenz und Mitbestimmung für die Parteibasis kann da kaum gesprochen werden. Dabei ist für die Parteipolitiker die Nominierung auf der sicheren Landesliste der eigentlich entscheidende Urnengang; das spätere Kreuz der BürgerInnen hat für die Listenplatzinhaber nur nachrangige Bedeutung.
Noch weiter von innerparteilicher Demokratie entfernt als die SPD, bei der wenigstens noch politisch gestritten wurde, ist allerdings das Bündnis 90/Grüne, das am kommenden Wochenende seine BundestagskandidatInnen kürt. Die sinnvollen Elemente einer Quotierung nach Geschlechtern werden durch die zusätzliche Berücksichtigung eines Ost-West-Proporzes zu einer Zwangsjacke für die drei aussichtsreichen Plätze. Inhalte und politische Positionen werden dabei zur vernachlässigbaren Restgröße; absurd, daß allein das Geschlecht und Wohnort die einzigen Kriterien sind – immerhin geht es um Sitze im Bundestag. Von Wahl kann keine Rede mehr sein: Ob der bundesweit bekannte Grüne Christian Ströbele ein Gewinn für den künftigen Bundestag wäre, verbietet das innerparteiliche Denkverbot zu diskutieren. Ob es für die Partei sinnvoll wäre, Ströbele und den Bündnis-Kandidaten Gerd Poppe gemeinsam zu nominieren, erst recht. Lassen sich die Delegierten diesen Maulkorb verpassen, dann haben sie sich selbst die Politikunfähigkeit bescheinigt. Gerd Nowakowski
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