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■ Bücher.kleinMurkelei

Wohin werden wir da geführt? In die deutsche (un)demokratische Murkelei, das Land der Selbstbetrüger und Simulanten, wo sich aber auch die „Wahrheit Nester baute in der verkehrten Welt“. Und das Heute? Christoph Dieckmann schwingt die Feder nicht wie einen Fehdehandschuh, er ätzt nicht bittere Worte über die östliche Vergangenheit in eine unvollendete Gegenwart: „Die Wende, was seither geschah, ist noch zu jung, zu weich für die erzählende Gravur.“ Ein Meister des Übergangs also. Die Sprache hat jene durch Bibelfestigkeit gewachsene Lust am Sinnbild, an der Moritat, der Passionsgeschichte. Doch dann spürt er selbst die Gefahr der Überhöhung und zugleich Verharmlosung des Banalen und läßt jene Ironie einfließen, die ihn so einmalig macht. Die in der Wochenzeitung Die Zeit ursprünglich veröffentlichten Reportagen lesen sind im Stück noch besser. Vier Jahre nach dem Ende der „protestantischen Revolution“ voller „aufrechter Einfalt“, jenem „ungeheuren Einsturz aller depressiven Ewigkeit“, nach dem Ende auch seines „halben und halben Lebens“ drüben, inmitten einer ersten Pause nach den großen und schweren Schuld-Debatten der letzten Jahre, läßt sich Dieckmanns Welt neu entdecken und auch von Hardcore-Wessis mehr begreifen.

Christoph Dieckmann: „Die Zeit stand still, die Lebensuhren liefen. Geschichten aus der deutschen Murkelei“. Ch. Links, 179 S., 24,80 DM

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