Bud Spencers Buchpräsentation: Der Westentaschen-Philosoph
Der Schauspieler Carlo Pedersoli ist der Mann, der auf der Leinwand Bud Spencer war. Der stellt in Berlin nun seine Biografie vor und liefert ein Trauerspiel.
Meine Mutter sagte: "Jacques Tati ist doch viel lustiger." Mein Bruder und ich, wir waren empört. Keineswegs! "Bud Spencer und Terence Hill sind doch zum Totlachen." Die Filme: hier ein Schlag - buff! Da noch einer - baff! Super! Dagegen dieser seltsame Fünfziger-Jahre-Franzose in Schwarz-Weiß mit seinem doofen Stelzengang und der kleinen Pfeife - was soll daran lustig sein? Gar nicht witzig fand ich auch, dass ein Pfadfinder-Freund etwas später meinte, an Bud-Spencer-Filme könne man den Faschismus beschreiben. Wie humorlos manche Leute sind! Ist doch bloß Spaß!
Das ist ungefähr 35 Jahre her - und wenn Bud Spencer, wie am Donnerstag, nach Berlin kommt, um seine Autobiografie vorzustellen, muss ich daran denken. Denn für einen großen Teil einer bestimmten Generation von Jungens in Westdeutschland war dieser Bud Spencer irgendwie eine wichtige Figur ihrer Jugend, fast so etwas wie ein cooler Onkel. Über den habe ich viel gelacht, auch wenn mir das heute peinlich oder unverständlich ist.
Nun geht das ja bei vielen Dingen so im Laufe des Lebens. Aber darf man einen schlechten Schauspieler und bestenfalls mäßig lustigen Komödianten noch heute ernst nehmen? Ist man verbiestert oder humorlos, wenn man ihn ernster betrachtet, als er sich selbst wohl nimmt? Ist das nicht einfach nur harmloser Spaß, Kult oder Pop?
Was kann er dafür und soll man sich dafür schämen, dass die lieben Kolleginnen und Kollegen vom "People-Journalismus" diese völlig blöden Fragen stellen, die sie wahrscheinlich stellen müssen, während die Boulevardfotografen sich wie gewohnt fast prügeln, um in diesem Hotel am Gendarmenmarkt ihr Bild zu kriegen? Immerhin, ich bin ja selbst zu diesem Pressetermin gegangen und schreibe darüber - mache also das Spielchen mit, obwohl es vielleicht Wichtigeres zu berichten gäbe.
Bud Spencer, eigentlich: Carlo Pedersoli, ist ein alter Mann von 81 Jahren, immer noch sehr groß und massig, aber einen Stock braucht er schon. Er ist ganz nett, auch selbstironisch, manchmal fast altersweise. Pedersoli sagt von sich selbst, er sei kein Schauspieler. Er hat ein bewegtes, reiches Leben hinter sich. Pedersoli war ein guter Schwimmer, sieben Mal Italiens Meister im Brustschwimmen und Mitglied des Olympischen Schwimmteams. Er war Musikproduzent, komponierte ein bisschen, schrieb Drehbücher, versuchte sich als Erfinder, ist seit mehr als 50 Jahren Ehemann und dreifacher Vater. Sehr wohlwollend gesagt, hat er den Humor in den Spaghetti-Western gebracht. Und sicherlich sind seine familientauglichen Hau-drauf-Filme ohne Tod, Leid und Blut weniger zynisch als die Gewaltverherrlichung, die heute oft zu sehen ist. Muss man diesen Menschen nicht ernst nehmen?
Auf der Pressekonferenz leugnet Pedersoli, so die Dolmetscherin korrekt übersetzt hat, für die Forza Italia von Silvio Berlusconi im April 2005 bei den Regionalwahlen in der Region Latium kandidiert zu haben, obwohl er das früher nicht bestritten hat. Er will sich auch nicht zu Politik oder Berlusconi äußern. Ist es unpassend, solche Fragen zu stellen? Es geht doch hier um Spaß. Pedersoli versucht sich im Buch und auf dem Podium als Westentaschen-Philosoph. Am meisten Lacher erntet er für sein angebliches Lebensmotto "Scheiß drauf!". Bald will er ein Lied dazu herausgeben.
Bud Spencer war ein Held für mich. Vielleicht sollte man nicht älter werden - und seinen Helden nie nahe kommen.
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