■ Buchtip: Polemisch, unbequem
Wien, Wurstlprater, Kaffeehausliteratur, das kennt man; Wien und das „Wespennest“? Auch das gehört zusammen. Die österreichische Literaturzeitschrift gleichen Namens, 1969 aus der linken marxistischen Kritik am Literaturbetrieb und an den literarischen Produktionsbedingungen entstanden, ist inzwischen nicht nur die auflagenstärkste Literaturzeitschrift Österreichs, sondern auch eine der renommiertesten im deutschsprachigen Raum. Als kostenloses Blatt „ohne Gewinnabsichten“ erschien die erste Nummer, in kleinster Auflage und eigens vervielfältigt vom damaligen Herausgeber Helmut Zenker. „Zeitschrift für brauchbare Texte“ nennt sich das Wespennest. Der Begriff stammt aus der damaligen Auseinandersetzung mit der proletarisch revolutionären Literaturtheorie der Zwanziger, man befaßte sich mit den kulturkritischen Ideen von Lukács, Brecht, Benjamin, Tretjakov, die die Selbstbestimmung der Autoren und eigene Veröffentlichungsorgane einforderten. Die Idee einer Zeitschrift war geboren. Das ist lange her. Inzwischen ist aus dem als Autorenkollektiv organisierten Forum, dem neben Zenker Schriftsteller wie Josef Haslinger, Peter Henisch, Gustav Ernst entstammen, eine verlegerisch betreute professionelle Zeitschrift geworden. Zur Literatur kamen seit 1980 die „brauchbaren Bilder“ und kürzlich der Film und die Fotografie. „Innovatives“ aus Malerei, Film, Literatur will das Blatt vorstellen, Essays, Pamphlete veröffentlichen, Künstler- und Autorenporträts, übergreifende Themen aus Film und Literatur präsentieren. Die Idee, Sprachrohr wider den herrschenden Literatur- und Medienbetrieb zu sein, ist geblieben. Eine Buchreihe entstand als Forum für junge internationale Autoren; seit zwei Jahren gibt es eine „edition Film“ mit Buchtiteln wie etwa das „Handbuch Avantgardefilm in Österreich“. Internationalität haben sich die jetzigen Herausgeber Gustav Ernst, Walter Pamler, Karin Fleischanderl zum weiteren Ziel gesetzt. Inzwischen gibt es gute Kontakte zu Osteuropa, Frankreich, Dänemark; die Themenschwerpunkte zur Literatur aus Dänemark, Italien, Frankreich. „Nationalliteratur abdecken jenseits der Feuilletons“, so nennt es Walter Pamler. Auch nach 99 Nummern und im sechsundzwanzigsten Jahr ist das Wespennest geblieben, was es immer war: gesellschaftskritisch, polemisch, unbequem. Themen wie die Position des Chefs der „Freiheitlichen“, Jörg Haider, in der österreichischen Kulturpolitik oder die Diskussionen um Alfred Hrdlicka reizen auch heute noch. Die Wespe zierte bis Mitte der siebziger Jahre das Titelblatt, sie wich einem neuen Layout. Die Zeitschrift aber (be)sticht weiterhin und bleibt kritisch.Jutta Freund
„Wespennest. zeitschrift für brauchbare texte und bilder“. Vier Hefte pro Jahr. Preis 100 Schilling (15 DM). Redaktion: Rembrandtstraße 31/9, 1020 Wien
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