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BuchrezessionA Dollar is a Dollar

■ Der Erzspekulant Kostolany im Irrgarten der Währungsspekulation

Kein Zweifel, Andre Kostolany liebt den Dollar. Der Dollar ist ihm Quell des Lebens, Born der Freude, Hort der Glückseligkeit. Für jemanden wie ihn, der schon als junger Mensch gewaltige Packen von Ein-Dollar-Noten mit sich herumzutragen pflegte, um gegen Währungsunbill aller Art gefeit zu sein, besitzt der Dollar einen Hauch von Ewigkeit. „Ich bin überzeugt, daß es für den Dollar ein Happy End geben wird“, prognostiziert er mit kühner Entschlossenheit, sein Credo, das er von „zwei Wienerinnen in New York“ bezog, lautet schlicht: „A Dollar is a Dollar.“ Immer wieder scheinen seine Gedanken zu der einen Frage zurückzukehren, die sein Leben geprägt hat und noch prägt: „Was macht der Dollar?“ „...und was macht der Dollar?“ heißt auch der Titel des neuesten Buches, das der 82jährige „mit allen Wassern gewaschene Spekulant und Börsenprofi“ (Klappentext) veröffentlicht hat. Tief schöpft Kostolany im Fundus seiner sieben Jahrzehnte umfassenden Erfahrung auf dem Geldmarkt, schildert die verschiedenen Mechanismen, erzählt von gelungen Coups und verheerenden Flops, von der „Marneschlacht“ der Finanzgeschichte, als sich der französische Franc in den zwanziger Jahren gegen heftigste Angriffe behaupten konnte, vom französischen Regierungschef Joseph Laniel, der gegen die eigene Währung spekulierte und alles verlor, weil er sich nicht gegen seinen Finanzminister durchsetzen konnte, von Sperrmark- Transaktionen und vom Silberring. Illustre Gestalten des Geldwesens läßt er Revue passieren, große Spekulanten und Arbitrageure, die so heißen, wie man es nicht besser erfinden könnte – Camillo Castiglioni, Lacy Kux, Dr. Nelken... – und letztlich allesamt gescheitert sind.

Dennoch gilt ihnen Kostolanys Bewunderung, während er die Devisenhändler, von ihm geringschätzig „Devisenfritzen“ genannt, mit abgrundtiefer Verachtung verfolgt. Nichtige Pfuscher, die den Währungsmarkt als Spielcasino betrachten, die wie gierige Motten den Dollar umkreisen und sich unweigerlich die zu kurz geratenen Flügel verbrennen, die „nichts wissen, nichts verstehen, nie überlegen“. Ein Mann mit dem wunderbar gelungenen Namen Dany Dattel hatte schon vor Jahren die Micky-Maus-Dimension des Devisenhandels deutlich gemacht, Kostolany zitiert einen Nachfahren Dagobert Ducks (“Es ist mir ein Hochgenuß, wie ein Seehund hineinzuspringen und wie ein Maulwurf darin herumzuwühlen“): „Am Abend bin ich oft allein, und dann liebe ich es, meine Kontoauszüge durchzublättern und zu streicheln.“

Solch schnöde Geldgier ist Kostolany fremd, ihm geht es ums Prinzip. So wettert er gegen den Goldstandard, gegen die Devisenfritzen, gegen einen „virulenten Antiamerikanismus“ und gegen die Sozialisten, die immer nur pleite machen und deren Rubel nur von der „Angst vor Sibirien“ aufrechterhalten wird. Hinter allen Tiraden aber ersteht strahlend, rein, unschuldig, unantastbar und ewig: der Dollar.

Für ein ganzes Buch kein allzu üppiges Programm. Vieles wiederholt sich, die „Anekdoten und Geschichterl“ des Andre Kostolany, einem Freund der Binsenweisheit, sind meist wenig originell, das angehängte Interview reproduziert fast ausschließlich bereits Gesagtes. Höchstes Lob gebührt dem Autor jedoch für seine Huldigung an ein frühes Exemplar der Medienkultur: das Nachrichtentelefon. In jener guten alten Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wurde man nämlich noch angerufen, wenn etwas Wichtiges in der Welt passierte. Wie am 28.6. 1914, als bei den Kostolanys in Budapest das Telefon klingelte und der Mutter den hübschen Satz entlockte: „Jesus Maria, man hat den Kronprinzen und seine Frau ermordet.“ Die Replik des achtjährigen Andre auf diese Nachricht vom Auslöser des Ersten Weltkrieges ist nicht überliefert. Sie kann jedoch nur so gelautet haben: „Schön und gut, Mama, aber was macht der Dollar? Matti Lieske

Andre Kostolany: ...und was macht der Dollar?, ECON-Verlag, 240 Seiten. 36 DM.

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