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BuchmessernStardust soll es regnen

■ Einmal neben einem Nobelpreisträger stehen! Dagegen verblaßt selbst Fred Breinersdorfer

Die Schröder-Bücher sind natürlich längst fertig. „Der Kanzler“ in Romanform wurde bei Eichborn noch in der Wahlnacht zu Ende geschrieben. Schröders 26 Briefe aus der Geschichte gewordenen Wahlkampfzeit sind zum brechtschen Buchtitel „Und weil wir unser Land verbessern“ geronnen. Daß aber die erste Schröder-Biographie ausgerechnet von einem Mann namens Peter Köpf geschrieben wurde, hätte man nicht ahnen können. Auf dem Buch wird extra darauf hingewiesen, daß er mit Doris weder verwandt noch verschwägert sei. Bis zur Vetternwirtschaft dauert es noch ein bißchen.

Ansonsten ist aber von Rot- Grün herzlich wenig zu merken. Keine Aufbruchstimmung, keine Euphorie, keine Fähnchen, sondern gähnende Abwesenheit des Politischen. Vielleicht hat es einfach noch niemand begriffen? Klar, Michael Naumann zeigt sich an allen Ecken und Enden und macht sein Kulturministergesicht in spe. Er steht neben Jack Lang, und Jack Lang sagt kurz und bündig: „Mein Freund Michael Naumann.“

Naumann sitzt auf dem Podium eines Bertelsmann-„Panels“ – wie man Diskussionsrunden neuerdings gern zu nennen beliebt – zum Thema „Literatur ohne Leser?“ und beklagt, daß das Buch immer mehr zur Ware und diesen bloßen Marketingaspekten unterworfen werde. Die Krise des Buchhandels, so Naumann, sei selbstgeschaffen durch überhöhte Vorschüsse, die nur wenigen Autoren zugute kämen, und durch irrwitzige Summen, die für Werbemaßnahmen notwendig seien, um die investierten Gelder – wie bei Warentermingeschäften – auch wieder einzuspielen. Naumann sagt, daß es um die deutsche Literatur gar nicht so schlecht stehe. Eine ganze Reihe jüngerer Autoren werde ins Englische übersetzt, und das amerikanische Feuilleton beobachte sehr genau und neugierig, was hierzulande entstehe.

Na also. Nur Mut. Hans-Ulrich Treichel ist so ein deutscher Autor, der mit seiner Erzählung „Der Verlorene“ jetzt erstmals die Erfahrung macht, übersetzt zu werden, und das gleich in acht Sprachen. Er hat einen Stapel Bücher von Enaudi unterm Arm, seinem italienischen Verlag, wo er sich eben vorstellte. Er geht jetzt von Land zu Land und lernt seine Übersetzer kennen. Auf niederländisch ist das Buch bereits fürs nächste Frühjahr angekündigt, dann klingt die Geschichte so: „De Velorene is ned dod...“ Wessen Text ist der Text?

Sehr schläfrig ist die Atmosphäre bei der Pressekonferenz des Schriftstellerverbandes. Fred Breinersdorfer, der Chef, sitzt wie ein Uniprofessor hinter einem erhöhten Pult und doziert: „Wir brauchen wieder Stars! Stardust muß auf die Literatur fallen! Was waren das für Zeiten, als noch Willy Brandt und Heinrich Böll ...“ Und so weiter. Breinersdorfer spricht und spricht. Er fühlt sich als eine Art Sonnenkönig des VS: Der Schriftstellerverband bin ich, ihr sollt keinen zweiten König neben mir haben. Das ist auch nicht schwer, denn der Rest des Verbandes döst im Saal verstreut vor sich hin. Außer Mitgliedern und ein paar treuen Pressevertretern scheint niemand hier zu sein. Der VS: Freds Reste Rampe. Buchpreisbindung! sagt Breinersdorfer jetzt so laut, daß alle hochschrecken, und fordert ein Re-Importverbot für den Fall, daß sie fällt. Eine Stunde lang redet der Mann ohne Atmen zu holen und endet mit dem Satz: Noch Fragen?

Was soll man noch fragen. Mittagessen auf Einladung von Ullstein mit dem Autor Michael Kleeberg, der einen sehr zufrieden Eindruck macht. Gute Kritiken, ein offenbar sehr guter Vertrag mit Ullstein, da lacht der Autor. Das Gespräch bei Tisch schleppt sich etwas zäh dahin. Da wabert die bewährte Klage über den sterbenden Buchhandel, über Monopolisierungen, wer wird als nächstes gekauft, was wird aus den kleinen Verlagen, und das Internet, wer weiß, jaja. Um 13.02 Uhr klingen reihum in den Jackettaschen der versammelten Literaturkritiker die Handys: Nobelpreis für José Saramago. Während an unserem Tisch noch nicht endgültig entschieden ist, ob es sich tatsächlich um einen Portugiesen oder aber um einen Argentinier, vielleicht auch um einen im argentinischen Exil lebenden Portugiesen handle, werden am Nebentisch bereits unsichtbare Mitarbeiterbataillone dirigiert. Volker Hage vom Spiegel steht jetzt in der Ecke und telefoniert, Andreas Isenschmid scheint in nur drei Minuten die morgige Ausgabe des Züricher Tages-Anzeigers geplant zu haben. Dann setzt man sich wieder, das Essen wird kalt, und Autor Kleeberg kann endlich erzählen, wie es dazu kam, daß er jetzt bei Ullstein ist.

Später dann gibt der neue Nobelpreisträger sogar noch eine eilige Pressekonferenz. Er war ja schon letztes Jahr ein heißer Kandidat, damals, als Portugal Schwerpunktland der Buchmesse war und alle dachten, dann müsse es wohl ein Portugiese werden. So stand Saramago ein Jahr lang in Hab-acht-Wartestellung und kann nun endlich sagen, daß er sehr glücklich ist.

Michael Naumann ist auch schon da und drängt sich durch zum Nobelpreisträger. Denn neben so einem, das versteht sich, ist der natürliche Aufenthaltsort für einen Ministerkandidaten. Jörg Magenau

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