: Brüter–Gutachten erfüllt Kohl–Wunsch
■ Schweizer atomtechnisches Ingenieurbüro „Motor–Columbus“ stellt ganz im Kanzler–Sinne fest: Kalkar müsse „zügig in Betrieb“ gehen, sonst würde sich die BRD von der Kraftwerksentwicklung verabschieden
Bonn(taz) - Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) läßt sich seine Brüterpolitik jetzt per Gutachterauftrag an die Atomwirtschaft bestätigen. Gestern stellte er in Bonn eine Studie des Ingenieurbüros Motor–Columbus vor, das sein Geld in der Schweiz mit der Projektierung nuklearer Anlagen verdient. Quintessenz dieses 300–Seiten–Manuskriptes: Der Brüter in Kalkar müsse „zügig in Betrieb“ gehen. Genau darauf hatte Bundeskanzler Kohl noch vor der Sommerpause im Kabinett gedrängt. Gestern betonte der Direktor von Motor–Columbus, Hans Zünd, daß es weltweit keine Anlage gebe, „die je sicherheitstechnisch so hinterfragt worden sei“. Die BRD müsse sich weiter am europäischen Brüterentwicklungsprogramm beteiligen, es sei denn, sie „wolle industriell und wirtschaftlich von der zukünftigen nuklearen Kraftwerksentwicklung Abstand nehmen.“ Aus Frankreich wurde allerdings gemeldet, daß die Electricite de France, das staatliche Strommonopol, von weiteren Brütern nichts mehr wissen wolle. Vermutlicher Grund: Der im Januar 1986 angelaufene „Superphenix“ ist ein technischer und wirtschaftlicher Reinfall. Ohne Frankreich würden jedoch alle internationalen Brüterverträge platzen. Doch Riesenhuber sah durch diese Entscheidung lediglich seine Politik bestätigt: den Strom nicht, wie in Frankreich, fast vollständig, sondern nur zu einem Drittel aus Kernenergie zu erzeugen. Doch dazu kann der Schnelle Brüter, der bereits 6,5 Milliarden Mark kostet, noch lange nichts beitragen. Ob die Plutoniumtechnik kommerziell betrieben werden soll, so Riesenhuber, sei „erst im nächsten Jahrhundert zu entscheiden“. Nicht äußern wollte sich Riesenhuber zu der nicht öffentlichen Anhörung internationaler Experten vor der Reaktorsicherheitskommission (RSK), die gestern beendet wurde. Dabei ging es darum, ob sich im Brüter der sogenannte Bethe–Taite–Störfall ereignen könnte, eine unkontrollierte Energiefreisetzung, die den Reaktorkern zerstört. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz hatte heftig kritisiert, daß zu dieser Anhörung keine kritischen Wissenschaftler wie der Amerikaner Richard Webb eingeladen wurden. Webb, ein anerkannter Nuklearphysiker, fürchte, daß ein solcher Störfall in Kalkar möglich sei und katastrophale Folgen haben würde. Nach wie vor muß als letzte Genehmigungsinstanz die SPD–Landesregierung in Nordrhein–Westfalen entscheiden, ob der Brüter in Betrieb gehen kann. Die habe nun, so Riesenhuber, nach „Recht und Gesetz“ zügig zu entscheiden. Der forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU–Bundestagsfraktion, Christian Lenzer, setzte noch eins drauf: Die Bundesregierung solle den Weg freimachen, um „erforderlichenfalls Weisungen an die widerstrebende Genehmigungsbehörde“ geben zu können.
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