■ Britisches Parlament senkt Strafbarkeitsgrenze für Schwule: Nichts Halbes und nichts Ganzes
Die Entscheidung des britischen Parlaments, die Strafbarkeitsgrenze für Homosexualität nicht auf 16, sondern auf 18 Jahre herabzusetzen, ist nicht nur schlimmste Heuchelei, sondern darüber hinaus ein Eigentor. Die von der Mehrheit der Abgeordneten gefürchtete Schwulendebatte ist damit nämlich nicht vom Tisch, sondern hat erst richtig begonnen und wird das Parlament solange beschäftigen, bis die Gleichstellung mit Heterosexuellen erreicht ist. Daß sie kommen wird, ist klar. Fraglich ist jedoch, ob der Sprung ins 20. Jahrhundert gelingen wird, bevor es zu Ende ist.
Das Ergebnis vom Montag ist nichts Halbes und nichts Ganzes: Weder wird es von einer Bevölkerungsmehrheit unterstützt, noch erfüllt es die Forderung der Schwulen nach Gleichberechtigung.
Und als Kompromiß kann man es erst recht nicht bezeichnen. Ein Kompromiß verdient nur dann diesen Namen, wenn er für beide Seiten akzeptabel ist. Die Parlamentsentscheidung ist es nicht: Entweder man schafft die Diskriminierung aus der Welt, oder man tut es nicht. Ein bißchen Diskriminierung gibt es nicht.
So haben diejenigen Abgeordneten, die am Montag für die Herabsetzung auf 18 gestimmt haben, nicht den geringsten Grund, sich auf die Schulter zu klopfen – im Gegenteil: Ihr Verhalten ist scheinheiliger, als das der Befürworter des Status quo, weil sie ja im Prinzip anerkennen, daß das Gesetz von 1967 – in dem die Legalisierung der Homosexualität ab 21 festgelegt ist – veränderungsbedürftig ist. Doch aufgrund der halbherzigen Veränderung bleiben sämtliche alten Probleme bestehen.
Die Motivation der Tory-Abgeordneten liegt auf der Hand: Nachdem man mit der Kampagne, eine moralische Überlegenheit für sich zu reklamieren, wegen der Enthüllung zahlreicher Affairchen, Finanzskandale und Wahlkreismanipulationen baden gegangen ist, wollte man nicht auch noch den homophoben Teil der WählerInnen allzusehr brüskieren. Diese Rechnung wird nicht aufgehen: Für die Schwulenhasser ist jede Herabsetzung der Altersgrenze eine Niederlage.
Die Labour Party kann von der Mitschuld für das Debakel nicht freigesprochen werden. Weil die Parteiführung den Fraktionszwang aufgehoben hat, konnten 35 Labour-Abgeordnete gegen die Herabsetzung der Strafbarkeitsgrenze auf 16 stimmen und den Antrag zu Fall bringen. Damit hat Labour die Debatte zu einer „Gewissensfrage“ degradiert, statt anzuerkennen, daß es dabei um ein Grundrecht geht: das Recht auf Gleichberechtigung. Ralf Sotscheck
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