Brandenburger Linken-Fraktion: Rot-Rot kämpft mit Stasi-Vorwürfen
Ein Abgeordneter der Brandenburger Linken-Fraktion soll Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen sein. Das bringt die Regierungskoalition in die Bredouille.
Die rot-rote Koalition in Brandenburg steht wegen Stasi-Vorwürfen in der Kritik. Der Grund: Gerd-Rüdiger Hoffmann, kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion soll zwischen 1970 und 1975 als so genannter Inoffizieller Mitarbeiter für die Stasi gearbeitet haben.
Unter dem Decknamen "IM Schwalbe" habe er zunächst Mitschüler und später Kameraden bei den DDR-Grenztruppen ausspioniert, heißt es in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Focus. "Ich kann nicht leugnen, dass ich für das MfS tätig war" wird Hoffmann dort zitiert. Von einer Akte bei der Birthler-Behörde habe er aber nichts gewusst "Es hat mich überrascht, dass es überhaupt eine gibt" sagte er dem Magazin.
CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski forderte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) auf, für Klarheit beim Koalitionspartner zu sorgen. Er kritisierte dem Umgang der Linken mit ihrer SED-Vergangenheit: "Erst können sie sich nicht erinnern, und dann hatten sie schon immer offen darüber gesprochen."
Auch Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender der Grünen betonte im Gespräch mit der taz, dass die Akte verfügbar sei und sich zudem handschriftliche Berichte über "IM Schwalbe" darin fänden. Somit sei klar, "wer hier an Gedächtnisverlust leide".
Ministerpräsident Platzeck hatte klargemacht, dass es "mit Rot-Rot keine Verklärung der SED-Diktatur" geben werde. In seiner Regierungserklärung am Mittwoch zeigte er sich aber solidarisch mit Hoffmann und verwies auf die Vergangenheit einiger CDU-Mitglieder in den Blockparteien. Gegenüber dem Rundfunk Berlin Brandenburg sagte Platzeck, Lernfähigkeit sei kein spezifisches Privileg der CDU.
Auch Axel Vogel sagt, ihm gehe es nicht um Ächtung vergangener Spitzeleien, sondern um eine offene Debatte darüber.
Im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen hatte die SPD den offenen Umgang der Linken mit ehemaligen SED- und Stasi-Mitarbeitern gelobt. Von der Fraktionschefin der Brandenburger Linken Kerstin Kaiser und den Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg und Axel Henschke ist zum Beispiel seit Jahren bekannt, dass sie in Kontakt mit der Stasi gestanden hatten.
Nach einem Beschluss der Linkspartei aus dem Jahr 1991 sind Mandatsträger der Linken verpflichtet, eine Zusammenarbeit mit der Stasi vor Amtsantritt offenzulegen. Der Vordenker der Partei, Michael Schumacher, hatte für Fälle, in denen solche Verstrickungen erst nach der Wahl bekann würden 1991 in der Landtagsdebatte zur damaligen Stasi-Überprüfung in Brandenburg erklärt: "Wenn jemand Informationen über Personen, die ihm im Vertrauen mitgeteilt wurden, an die Staatssicherheit überliefert hat, hat er Vertrauensbruch begangen. Dieser nachgewiesene Vertrauensbruch rechtfertigt prinzipiell die Empfehlung zur Niederlegung des Mandates."
Eben dieser Vertrauensbruch wird Hoffmann nun vorgeworfen. Die Vereinigung der Opfer des Stalinismus spricht von Wahlbetrug und fordert Hoffmanns Rücktritt. Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP - Fraktion legte dem Abgeordneten eine Mandatsniederlegung nahe.
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sieht durch den Fall die von den Grünen angestoßene Stasi- Regelanfrage des Landtags bestätigt.
Am Dienstag hatte ein Regierungssprecher erklärt, dass sich alle Minister und Staatssekretäre von der Stasi-Unterlagenbehörde überprüfen lassen würden. Der Gesetzes-Entwurf wird durch den Fall nun beschleunigt. Auch die SPD-Fraktion sowie die Oppositionsfraktionen von CDU, Grünen und FDP werden sich einem solchen Verfahren unterziehen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen