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Brand im Abschiebeknast ist ein böser Alptraum -betr.: "Abschiebeknast ist abgebrannt", v. 27./28.1.96

Betr.: „Abschiebeknast ist abgebrannt“, v 27./28.1.

Auf vier Seiten dieser Zeitung blickt uns eine beklemmende Topographie des Terrors aus der Nazizeit entgegen, und in der gleichen Ausgabe erscheint ein ebenso beklemmender Bericht über das Feuer im Abschiebeknast heute. Es ist wie ein böser Alptraum.

Allein im vorigen Jahr haben bundesweit 292 Angriffe auf AusländerInnen stattgefunden, und es hat 33 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben.

Eine breite Feuerspur zieht sich seit der „Wende“ von Hoyerswerda bis Lübeck, und oft genug ist von der Polizei in stoischer Manier zu hören, es gäbe kein ausländerfeindliches Motiv.

Verfassungsschutz wie Politiker spielen die Gefahr mit der Behauptung, die Zahl der Brandanschläge sei „merklich zurückgegangen“, ebenfalls auf verantwortungslose Weise herunter.

Es ist dann allerdings merkwürdig, daß sich Massenunterkünfte anscheinend immer von selbst entzünden, und daß es scheinbar keinen geistigen Nährboden von Faschismus mehr gibt.

Da wurde vor Jahresfrist das Asylrecht in schlimmer Parteieneintracht bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, da werden allein hier in Bremen fast täglich verzweifelte Menschen Folterern und Mördern in die Hände getrieben, und dann wundert es manche noch, wenn plötzlich in diesem Bremer Vorhof der Hölle Feuer ausbricht.

Innenminister Kanther und Senator Borttscheller lassen massenweise abschieben, heute in die Türkei, nach Sri Lanka, nach Nigeria, nach Jugoslawien, und morgen in die Flammen der zukünftigen Kriege dieser Welt. Waffenexporte, Eingreiftruppen, wer legt hier eigentlich die Lunten?

So rücksichtslos und menschenverachtend dieses Vorgehen ist, so unübersehbar und verheerend sind die Folgen.

Wenn dann Begriffe wie „Massendeportationen“ und „Schreibtischtäter“ gleich Polizeiaktionen auslösen, kommt mir das Heine-Zitat in den Sinn: „Denk' ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“

Wieland von Hodenberg

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