Boxer Konstantin Buga für Olympia: Erfolge fürs Kinderzimmer
Mit Konstantin Buga hat sich erneut ein Migrant in Deutschland an die Spitze geboxt. Nun kämpft der gebürtige Kasache bei den Olympischen Spielen
Es ist das letzte freie Wochenende von Konstantin Buga vor Olympia. Gerade knöpft er noch sein Hemd zu, frisch aus der Dusche kommend. Am Morgen war er laufen. Mit einem Grinsen beantwortet Buga die Frage nach der top eingerichteten und gepflegten Wohnung: "Das ist typisch meine Frau."
Er selbst hatte zuletzt kaum Zeit. Seit beinah einem Jahr muss sich Ehefrau Tatiana allein um den Haushalt und die gemeinsame Tochter Valerija kümmern. Vater Konstantin konnte diese Funktion im ersten Lebensjahr der Tochter nur selten ausfüllen. Seit der erfolgreichen Qualifikation bei der Box-Weltmeisterschaft in Chicago läuft seine Vorbereitung auf die Olympischen Spiele. Trainingslager und Wettkämpfe in Kuba, Frankreich oder der Schweiz, am Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in Heidelberg oder Lehrgänge der Bundeswehr: Das ist das Leben des 23-Jährigen. Längere Aufenthalte in Berlin sind zur absoluten Ausnahme geworden. "Ich war schon froh, wenn ich mal zwei Wochen bei meiner Familie sein konnte."
Konstantin Buga wuchs in dem kasachischen Ort Nowoselskoe auf. Vor sechs Jahren kam er nach Deutschland: "Die meisten Leute aus meinem Dorf leben mittlerweile hier." Buga begann in Nowoselskoe mit elf Jahren zu boxen und tat sich schon früh als besonders talentiert hervor. Er war Kapitän der Auswahl des Kreises Atbasar und Mitglied der Kadetten-Nationalmannschaft. "Wäre ich in Kasachstan geblieben, hätte ich aber kaum weiter geboxt. Dann hätte ich lieber so wie mein Bruder studiert", erzählt Buga und führt aus, dass in Kasachstan nicht nur die sportliche Leistung über den Werdegang entschieden hätte.
So weit kam es jedoch nicht. Seine Eltern hatten bereits beschlossen, nach Deutschland zu gehen. Als Russlanddeutsche erhielten sie problemlos die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie gaben dafür ein geordnetes Leben auf: die Mutter als Kindergärtnerin, der Vater als Chef eines Energieversorgers. Doch sie waren bereit, alles der Zukunft der Söhne unterzuordnen.
Doch schnell wurde klar, dass die Perspektiven nicht so gut waren wie gedacht. Konstantin musste anfangs gar drei Monate von Sozialhilfe leben, da seine Deutschkenntnisse nicht gut genug für eine Ausbildung waren. Ein Sprachkurs wurde ihm aber verwehrt. So musste er selbstständig lernen. Dem Sport blieb er treu und meldete sich im Boxclub der Neuköllner Sportfreunde an. Hier baute er sich erste Kontakte auf und fand auch besseren Zugang zur Sprache. Nach einem Jahr kam er in die Sportfördergruppe der Bundeswehr. Seine Erfolge als Boxer ermöglichten es. Deutscher Juniorenmeister war er da bereits. Seine Zukunft in Deutschland war gesichert. Und auch mit der Sprache arrangierte er sich. Anfangs musste er viele Wörter nachschlagen, doch sein Trainer Adolf Angrick lernte immer und überall mit ihm: "Unterwegs im Auto hat er mich einfach alles benennen lassen."
Buga ist äußerst pragmatisch, hat sich an die Gegebenheiten des Leistungssports gewöhnt. Dieses Leben bietet ihm in Deutschland die beste Perspektive. Seine Mutter arbeitet heute als Reinigungskraft, sein Vater auf der Trabrennbahn. Buga schätzt vor allem die Sicherheit, die ihm die Sporthilfe und die Bundeswehr geben. Mit mehr, etwa dem lukrativen wie risikoreichen Profiboxen, will sich der zweifache deutsche Amateurmeister noch nicht beschäftigen. "Das ist ein schwieriger Wechsel. Das kann man nicht planen. Ich möchte erst noch weitere Erfahrungen sammeln."
Im Moment gilt die Konzentration allein Peking, zusammen mit seiner Ersatzfamilie, dem kleinen deutschen Box-Team. Das besteht neben Buga aus drei weiteren Boxern, die alle nicht in Deutschland geboren sind: Jack Culcay-Keth (Ecuador), Wilhelm Gratschow (Usbekistan) und Rustam Rahimov (Tadschikistan). Buga will daraus keine allgemeinen Schlüsse ziehen, verweist auf seine eigene Geschichte: "Der wichtigste Sportverein in meinem Dorf war der Boxclub. Da sind die Jungs alle hingegangen." Buga gilt als die "Wundertüte", wie es Bundestrainer Helmut Ranze zuletzt formulierte. Wegen seiner Unbeständigkeit. Etwas überraschend qualifizierte er sich früh für Olympia, noch überraschender verliert er mitunter gegen nationale Konkurrenten. "Ich weiß, was sie über mich sagen. Aber ich will mindestens eine Medaille." Die würde im Kinderzimmer seiner Tochter, das er mit seinen Boxtrophäen dekoriert, einen exponierten Platz erhalten.
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