Boxer Jürgen Brähmer ist reif für den WM-Kampf : Jetzt stimmt’s auch im Kopf
Jürgen Brähmer, 28, hat Schweißer gelernt, trainiert in Hamburg und möchte kein „Knast-Boxer“ sein. Foto: dpa
Obwohl er immer ein wenig so wirkt, als habe er für einen Boxer viel zu schmale Schultern, schleppt Jürgen Brähmer von allen Kämpfern des Hamburger Universum-Boxstalls die schwerste Hypothek mit sich herum. In einem unbedachten Moment hat ihn der sonst kühl kalkulierende Universum-Chef Klaus-Peter Kohl einmal als „Jahrhundert-Talent“ bezeichnet. Seitdem erwartet jeder, dass der in Schwerin lebende Supermittelgewichtler seine Gegner so „umhaut“ wie die 4.500 Zuschauer Samstagabend in der Rostocker Stadthalle.
Aber selbst das größte Talent gedeiht nicht ohne Fleiß und Anstrengung. „Wer quält sich schon gerne“, sagt der 28-jährige gelernte Schweißer. So kam es im Mai 2006 zur überraschenden Niederlage gegen seinen als Auslaufmodell geltenden Stallkollegen Mario Veit.
Aus Schaden klug werden – dieses alte pädagogische Prinzip zieht sich wie ein roter Faden durch Brähmers Karriere. Als er vor fünf Jahren das erste Mal am WM-Thron rüttelte, zog er sich durch eine Straftat mit anschließender Gefängnisstrafe selbst aus dem Verkehr. Seitdem versucht Brähmer, das Etikett „Knast-Boxer“ abzuschütteln. Dazu hat er Samstag im Rückkampf gegen Mario Veit einen großen Schritt getan.
Und doch war es wieder ein Gegenschlag, der den wahren Jürgen Brähmer hervorlockte. Nachdem er in der dritten Runde eine schwere Rechte an den Kopf einstecken musste, explodierte er. Im Gegensatz zu seinem letzten Kampf hatte Brähmer seine Wut im Griff. Damals war er von Hector Javier Velazco auf die Matte geschickt worden und hatte diesen voller Zorn sofort k.o. schlagen wollen. Diesmal war es anders: „Ich wollte ihn nach dem Treffer nicht unbedingt vernichten“, sagte Brähmer. „Ich habe mich nicht verkrampft und bin trotzdem aggressiv geblieben.“ In den Fäusten hatte er es schon lange – nun scheint Brähmer auch im Kopf gerüstet für den Weltmeistertitel. RALF LORENZEN