Boombrot aus der Hofpfisterei: Ist das noch öko?
Die Hofpfisterei backt das erfolgreichste Ökobrot Deutschlands. Deswegen verkauft sie es nicht nur in München, sondern liefert es per Lkw auch bis nach Berlin.
Die Firma: 900 Mitarbeiter (einer davon auf dem Foto oben), 58 Millionen Euro Jahresumsatz, eine Produktion von 20.000 Laiben Brot am Tag - das ist die Hofpfisterei. Auf jedem Brot klebt das Zertifikat des Ökoverbands Naturland. Ein Kilo vom Hofpfister-Bestseller "Pfister Öko-Sonne" kostet 4,60 Euro.
Die Expansion: Die Großbäckerei betreibt über 140 Filialen - mehr als 120 davon in München und Altbayern. Mittlerweile gibt es auch Läden im Raum Stuttgart und zwei in Berlin. Dorthin wird das Brot mit Lastwagen gefahren.
Ein kleiner Schubser, und der Teig erwacht zum Leben. Produktionsleiter Jürgen Mayer, weiße Mütze, gefütterte Weste, gemütliches Lächeln, greift mit gestreckten Armen den großen Kessel und gibt ihm einen kurzen Stoß. Im Behälter beginnt sich die dicke Masse langsam zu heben und zu senken - wie der Bauch eines dicken, schlafenden Tieres. Dann sackt der Teig in Sekunden in sich zusammen. Die Luft entweicht. Sie riecht säuerlich, es beißt in der Nase. Ein Arbeiter schiebt den Kessel weiter und kippt den Inhalt in ein großes Loch im Boden. Wenige Sekunden später wird im Ofen Brot daraus - das erfolgreichste Ökobrot Deutschlands.
Die Hofpfisterei in München ist die größte ökologisch produzierende Bäckerei im Land. Ihre Geschichte lässt sich bis ins Jahr 1331 zurückverfolgen, als sie zum ersten Mal als Bäckerei des bayerischen Königshofs urkundlich erwähnt wurde. Die heutige Inhaberfamilie Stocker pachtete den Betrieb Ende des ersten Weltkriegs. 1984 wagten die Stockers eine kleine Revolution und begannen ihr Brot streng ökologisch zu produzieren. Die Hofpfisterei war schon über zwanzig Jahre bio, als das Wort "Lohas" erfunden wurde. Dass Öko nun Lifestyle ist, kurbelt das Geschäft zusätzlich an. Die Bäckerei beschäftigt heute 900 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz beträgt 58 Millionen Euro. Und trotz Wirtschaftskrise expandiert das bayerische Traditionsunternehmen nun auch nach Norddeutschland. In diesen Tagen eröffnet die dritte Filiale in Berlin.
Aus dem Ökopionier ist ein boomendes Unternehmen geworden. Doch was wird aus den Idealen, aus dem hohen Anspruch an Umwelt und Gesundheit, wenn die Umsätze wachsen und die Firma expandiert? Ist Öko noch öko, wenn Öko expandiert? Es ist eine Frage, die sie hier bei der Hofpfisterei ständig neu beantworten müssen.
"Wir haben hier einen ganz eigenen Mikroorganismus", sagt Produktionsleiter Mayer, schiebt eine schwere Metalltür zur Seite und betritt das Herz der Brotfabrik in der Münchner Kreittmayrstraße. Ein Thermometer an der Wand zeigt eine Temperatur von 14 Grad Celsius an. Im Kühlraum stehen mit Tüchern bedeckt wuchtige Metallkessel. Hier ruht der Sauerteig. "Der Sauerteig, den wir heute benutzen, wurde 1984 angesetzt", erklärt Mayer. Anders als in anderen Bäckereien werde hier nicht extra Hefe zugesetzt. Das macht den besonderen Geschmack der Hofpfister-Brote aus. Aber es macht das Brotbacken auch zu einer kniffligen Angelegenheit.
Besucher müssen hier weiße Kittel und Haarnetze tragen - fast wie in einer Halbleiterfabrik. Ein Computer überwacht auf die Minute genau, wie lange welcher Brotteig bei welcher Temperatur ruhen muss. Die Angst der Bäcker: Jede kleine Veränderung könnte den seit 25 Jahren mühsam gepflegten Sauerteigkulturen schaden.
"Wir haben hier eine stabile Hausflora", sagt der Marketingchef Friedbert Förster, Mitte 50, weißer Bart. Versuche, die Brote auch an anderen Standorten zu backen, seien gescheitert. "Wir haben versucht, unsere Brote in einer zweiten Bäckerei in Lauf bei Nürnberg herzustellen. Doch die Qualität hat sich verändert." Also muss jedes Brot aus der Münchner Fabrik zu den Filialen gefahren werden.
Im Erdgeschoss der Münchner Brotfabrik stehen wuchtige Maschinen. Der zähe Brotteig, den die Arbeiter ein Stockwerk weiter oben auf die Reise schicken, wird hier automatisch in zwei Kilogramm schwere Stücke portioniert und zwischen zwei vorbeilaufenden Stoffriemen in runde Brotlaibe geformt - 20.000 Stück am Tag. Ein Förderband transportiert sie durch einen langen Ofen. Um vier Uhr früh gehen sie auf die Reise zu den Kunden.
So werden die Expansionspläne eine Belastungsprobe für den Ökoanspruch, den das Unternehmen auf seine Brottüten druckt und in einem prächtigen Bildband bewirbt. "Brot: Symbol für Natur, Leben und Kultur". Weil alle Brote in einer Fabrik in München gebacken werden, sind jede Nacht 25 bis 30 vollbeladene Lkws zum Transport im Einsatz. 2007 legten laut firmeneigener Ökobilanz die Lastwagen im Namen der Hofpfisterei über 2.067.858 Kilometer zurück. 2005 waren es noch weniger als 1,5 Millionen Kilometer. Und da waren die seit kurzem nötigen zwei Fahrten nach Berlin noch gar nicht eingerechnet im Kilometerbrot aus München. Im Lkw-Brot. Im CO2-Brot.
So schlimm? Dagmar Wild ist Umweltbeauftragte der Hofpfisterei, erstaunlicherweise sagt sie: "Wir sehen uns weiter als regionale Bäckerei." Das Getreide stammt von Biobauern aus der Region, alle Mitglied im Erzeugerverband Naturland. Das Mehl wird in einer firmeneigenen Mühle in Landshut gemahlen. Die Wege zwischen Rohstoffproduzenten und Bäckerei sind kurz. 2008 wurden die Fahrer sogar zu Trainings geschickt, damit sie lernen, ihre Autos energieeffizient zu bedienen. Man merkt: Sie kämpfen hier. Sie wollen ihr Ökoimage so umsichtig hüten wie den kostbaren Sauerteig.
Für den Transport der Brote nach Berlin versuche man, die Lkws so effizient wie möglich auszulasten, verspricht Wild. Anders als andere Großbäckereien transportiere man die Brote, um Energie zu sparen, bewusst nicht tiefgekühlt.
Dass das geht, liegt an der Backmethode. Die Laibe für die Berliner Filialen werden in München zu 60 Prozent fertig gebacken. In Berlin kommen sie noch einmal in den Ofen, bis die dicke Kruste schön kross ist. "Dadurch erreichen wir unsere herausragend lange Frische", sagt der Marketingleiter. "Schimmel kommt durch die Kruste einfach nicht durch."
Tatsächlich lässt sich ein Hofpfisterbrot auch nach drei Tagen noch essen. Das Innere ist so saftig wie am ersten Tag. Es schmeckt herb und intensiv nach Gewürzen, nach Kümmel, nach Anis. Nur die Kruste wird zäher und macht das Marmeladenbrot zum Fitnesstraining für die Kaumuskeln. Mehr wäre auch viel verlangt. Denn lebenszeitverlängernde Zusatzstoffe setzt man absichtlich keine ein. "Bewusster Verzicht auf Zusätze" stand bis zum vergangenen Jahr auf allen Hofpfister-Tüten. Doch dann kam Thilo Bode von Foodwatch.
"Auch Ökos lügen", schrieb er in eine knackige Pressmitteilung. Er hatte doch einen Zusatzstoff gefunden. In den 140 Filialen werden auch Brezen und Krapfen verkauft. Die entstehen in Partner-Bäckereien, nach original Hofpfister-Rezepten, aus ökologischen Zutaten. Doch die für Brezen nötige Lauge ist zwar für ökologische Produkte zugelassen, aber formal ein Zusatzstoff. Die Hofpfisterei musste eine Unterlassungserklärung unterschreiben. "Das hat uns stark getroffen", sagt Marketingleiter Förster. "Wir haben uns doch schon seit Jahren um möglichst große Transparenz für die Verbraucher bemüht." Seit dem vergangenen Sommer liest es sich in den Werbematerialen etwas umständlicher: "Wir verzichten bei unseren Natursauerteigbroten auf chemische oder künstliche Zusätze jeglicher Art."
Im Keller öffnet Produktionsleiter Jürgen Mayer eine Klappe in der Wand. Heiße Luft strömt heraus. Das innere der Kammer ist mit rötlichen Schamottsteinen ausgekleidet. Es ist einer von 18 Steinöfen. Hier entsteht die beliebteste Brotsorte im Sortiment: die Pfister-Sonne. "Jeder der 18 Öfen hat ein anderes Heizverhalten und eine andere Temperatur", erklärt Mayer. Das Backen im Steinofen braucht Erfahrung.
An der Wand hängt ein Schild mit böse guckenden und lächelnden Smileys darauf. Es ist die Ermahnung der Produktionsleitung an die Bäcker, penibel auf die exakte Backzeit und Bräune der Brote zu achten. "Schwarzbrot ist Bröselbrot", steht da. "Helles Brot ist Futterbrot. Nur schönes Brot ist Pfisterbrot." Und zur Schönheit gehört Öko.
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