■ Bonn-apart: Zeitreise nach Kambodscha
Bonn (taz) – Für die Bundesgrenzschützer mit den blauen UNO-Käppis muß es so etwas wie eine Zeitreise gewesen sein. Am 21. Mai 1992 hatte ein Innenminister namens Rudolf Seiters sie mit großem Tamtam nach Kambodscha verabschiedet. Dort hatten sie – einige sechs, einige neun, einige fünfzehn Monate lang – die Polizei überwacht und die Wahlen beobachtet. Am Donnerstag mittag meldeten sich die letzten 54 von insgesamt 102 Grenzschützern auf dem BGS- Flugplatz in Hangelar bei Bonn zurück – nur nahm davon kaum noch einer Notiz. In Deutschland hatte sich etwas verändert.
Gewiß, da waren die Angehörigen. Der sechsjährige Sohn eines Beamten streckte der Kompanie ein selbstgemaltes Pappschild entgegen: „Juhu, mein Papa ist wieder da.“ Natürlich habe sie um ihren Mann Angst gehabt, meinte eine Frau. „Schließlich war das kein Kegelausflug nach Mallorca.“
Der Innenminister – inzwischen heißt er Manfred Kanther – sah das offenbar nicht so dramatisch. Er hatte wichtigere Termine und nur seinen Staatssekretär Eduard Lintner geschickt. Dieser mühte sich mit der Aussprache von „Kambodscha“ und „Phnom Penh“ und erzählte den Grenzschützern, daß inzwischen alle Welt die deutsche Beteiligung an UN-Missionen „als etwas Selbstverständliches und Normales betrachtet“. Bei ihrem Abflug sei das noch anders gewesen. Da habe es als Vorläufer nur den BGS-Einsatz in Namibia gegeben.
In der Tat: Mit ihren in Somalia stationierten Kollegen von der Bundeswehr konnten es die Grenzschützer aus Kambodscha bei ihrer Rückkehr am Donnerstag nicht mehr aufnehmen. Was sie absolviert hatten, war kein Militäreinsatz, sondern eine reine Polizeiaktion. Ohne Panzer (inzwischen ein „Muß“ bei deutschen Friedensmissionen), selbst ohne Pistole hatten die beiden Hamburger Grenzschützer Kay Schröder und Markus Lehmann sechs Monate lang in einer Stadt im Osten von Kambodscha die Wahlen mit vorbereitet und überwacht. Scharf geschossen wurde auch dort. Immer wieder flogen Kugeln der Roten Khmer.
Ob Somalia dennoch ein gefährlicherer Einsatzort sei –das vermochten die Grenzschützer am Donnerstag nicht zu sagen. Zeitungen aus Deutschland waren ihnen nur selten in die Hände gekommen. Von dem Wechsel im Amt des Innenministers – immerhin – hatten sie erfahren. „Nur wie er aussieht“, meinte Lehmann, „das wußte ich nicht.“ Hans-Martin Tillack
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