piwik no script img

■ Bonn apartDeutscher Titelstreit

Wieder einmal müssen sich die Bonner Politiker bescheinigen lassen, sie hätten keine Ahnung von den Verhältnissen in den neuen Bundesländern. Diesmal kommt der Vorwurf aus dem Büro des Deutschen Bundeswehrverbandes. Dessen Vorsitzender Karl-Heinrich Stein, der aus dem Westen kommt, kämpft ganz entschieden gegen die Diskriminierung von ehemaligen Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA).

Nicht um materielle Leistungen geht es in dem Streit, sondern um Symbole. Genauer: um Titel. Jeder in der DDR ausgebildete Akademiker kann heute noch stolz seinen Professoren- oder Doktortitel vorweisen, auch wenn er er Dozent für Marxismus-Leninismus an der Parteischule war. Den Ex-Soldaten der NVA ist es verboten, ihre Dienstgrade mit dem Zusatz „außer Dienst“ zu führen.

Nach dem Willen der Bundesregierung werden sie solchen Deutschen gleichgestellt, die „mit einer weiteren Staatsangehörigkeit in einer fremden Streitmacht gedient haben“.

Vorzeigen wolle von den mehr als 100.000 ehemaligen NVA-Angehörigen kaum einer den Titel, versichert deren Interessenvertreter Stein. Aber sie empfänden es als Kränkung, wenn ihnen das Recht dazu abgesprochen werde.

Nicht nur um Gefühle geht es in dem Streit – es geht auch um das Verhältnis zur deutschen Geschichte. Denn für die ehemaligen Angehörigen von Hitlers Wehrmacht gelten andere Regeln: Ihre Dienstgrade sind geduldet.

So wurde einem ehemaligen NVA-General mitgeteilt, er dürfe sich nicht „General a.D.“ nennen. Genehmigt wurde ihm aber der Zusatz „Leutnant a.D.“. Begründung: Diesen Dienstrang habe er doch in der Wehrmacht getragen. Die NVA gilt in der Militärtradition damit weniger als eine Armee, die einen Angriffskrieg führte und auch an Massenerschießungen von Zivilisten beteiligt war.

Auch der im Januar vorgestellte Vermittlungsversuch der SPD-Fraktion ändert daran wenig: Danach sollen die alten DDR-Soldaten wenigstens ihren letzten Dienstgrad mit dem Zusatz „außer Dienst der NVA“ führen dürfen.

DDR-Unrecht solle nicht geleugnet werden, versichert Stein: „Wir wollen doch keine schwarzen Schafe weißwaschen.“ Zum offiziellen Integrationskurs aber stehe das Titelverbot in krassem Widerspruch. Der Soldatenvertreter warnt vor schlimmen Folgen: „Niemand darf sich wundern, wenn die Leute durch Ausgrenzung in eine Ecke getrieben werden, in der sie niemand haben will.“

Hans Monath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen